Beobachtungsstelle für Menschenrechte Türkische Armee greift kurdisches Dorf in Syrien an

Ankara · Nach Luftangriffen gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und die PKK im Nordirak hat die türkische Armee nach kurdischen Angaben auch ein von Kurden kontrolliertes Dorf im Norden Syriens unter Beschuss genommen. Wie die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) mitteilten, beschossen türkische Panzer in der Nacht zum Montag das von ihnen kontrollierte Dorf Sur Maghar. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu schloss den Einsatz von Bodentruppen in Syrien aus.

Bei dem Angriff auf Sur Maghar, das in der nordsyrischen Provinz Aleppo nahe der Grenze zur Türkei liegt, seien Stellungen der Kurden und mit ihnen verbündeter Rebellen getroffen worden, erklärte die Kurdenmiliz YPG. Vier Rebellenkämpfer und mehrere Dorfbewohner seien durch den "schweren Panzerbeschuss" aus der Türkei verletzt worden. Später habe es noch einen weiteren Angriff auf Sur Maghar und ein anderes Dorf gegeben. Sur Maghar liegt östlich der Stadt Dscharabulus, die vom IS kontrolliert wird.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und andere Aktivisten bestätigten die Angaben. Der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, sagte, es handele sich offenbar um den bislang schwersten türkischen Angriff auf kurdisches Gebiet seit Beginn des Syrien-Konflikts.

Davutoglu sagte laut der Zeitung "Hürriyet", die Türkei werde keine Bodentruppen nach Syrien schicken. Moderate Rebellen wie die Freie Syrische Armee, die gegen den IS kämpften, müssten aber aus der Luft unterstützt werden. "Wir wollen Daesch nicht an unserer Grenze sehen", sagte Davutoglu unter Verwendung der arabischen Abkürzung für den IS.

Am Sonntagabend hatte die türkische Armee laut türkischen Medienberichten auch wieder Angriffe auf Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak geflogen. Wie ein Sprecher der Rebellen mitteilte, wurden Lager der PKK nördlich von Dohuk und Erbil bombardiert.

Das sind die Verbündeten im Kampf gegen IS
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Foto: afp, FC

Die Türkei bombardiert seit Ende vergangener Woche IS-Stellungen in Syrien und Lager der PKK im Nordirak. Die Regierung in Ankara stuft beide Gruppen als "Terrororganisationen" ein. Der Türkei wurde seit langem vorgeworfen, dem Vormarsch der IS-Miliz tatenlos zuzusehen. Einige Kritiker werfen ihr auch vor, die Dschihadisten mit Waffen zu versorgen und nichts zu unternehmen, um IS-Kämpfer am Grenzübertritt zu hindern. Demnach ist Ankara vor allem besorgt, dass die Kurden im Norden Syriens ein eigenes autonomes Gebiet aufbauen könnten.

Bei einem dem IS zugeschriebenen Selbstmordanschlag in der türkischen Grenzstadt Suruc waren vor einer Woche 32 Menschen getötet worden. Bei den meisten Opfern handelte es sich um linke oder prokurdische Aktivisten, die beim Wiederaufbau der kurdisch-syrischen Grenzstadt Kobane helfen wollten. Die Kurden machten die türkische Regierung mit für den Anschlag verantwortlich. In der Folge verübte die PKK tödliche Vergeltungsangriffen auf türkische Polizisten. Die Gruppe bekannte sich am Sonntag zudem zu einem Autobombenanschlag, bei dem zwei türkische Soldaten getötet wurden.

Begleitet wurden die Luftangriffe gegen die PKK von einer Festnahmewelle in der Türkei: Nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu wurden seit Freitag über 850 Verdächtige festgenommen, darunter neben mutmaßlichen Mitgliedern von IS und PKK auch linksextreme Aktivisten. Die türkischen Behörden gingen zudem massiv gegen regierungskritische Demonstranten vor und verboten einen für Sonntag geplanten "Friedensmarsch" der Kurdenpartei HDP.

(AFP)
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