Rücktritt des Premierministers in der Türkei Erdogans stiller Putsch

Meinung | Düsseldorf · Die Rücktrittsankündigung des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu hat international für Aufsehen gesorgt. Letztendlich wächst die Sorge vor einem übermächtigen Präsidenten Erdogan.

Der gemeinsame Weg ist vorbei: Erdogan und Davutoglu (rechts).

Der gemeinsame Weg ist vorbei: Erdogan und Davutoglu (rechts).

Foto: dpa, sdt ase jak fdt

Zweimal hat Recep Tayyip Erdogan schon versucht, an den Urnen eine Zustimmung des türkischen Volkes für seinen Wunsch nach Einführung eines Präsidialsystems zu bekommen. Zweimal ist er damit gescheitert. Aber das macht nichts, denn eigentlich regiert der türkische Staatschef sein Land unter konsequenter Überschreitung seiner verfassungsrechtlichen Kompetenzen schon heute wie ein Alleinherrscher.

Das hat jetzt auch Ahmet Davutoglu zu spüren bekommen, den Erdogan als willfährigen Vollstrecker seines Willens im Amt des Premierministers installiert hatte. Doch dann zeigte Davutoglu plötzlich Eigeninitiative und ging gelegentlich sogar öffentlich auf Distanz zu Erdogan. Der hat ihn nun gefeuert. Und zwar ausgerechnet an dem Tag, an dem die EU-Kommission grünes Licht gegeben hat für Visa-Freiheit - also jenen Deal, den Davutoglu ausgehandelt hatte.

Man sollte sich in Davutoglu nicht täuschen. Er gab das freundliche Gesicht der Türkei nach außen, aber er war auch ein knallharter Ideologe und in der stramm konservativ-islamischen Ausrichtung der Türkei völlig auf einer Linie mit Erdogan. Aber er ordnete sich dem persönlichen Machtstreben seines Herrn nicht so bedingungslos unter, wie Erdogan sich das gewünscht hätte. Der Präsident wird sich jetzt eine Marionette suchen, mit der er durchregieren kann.

Seit Gründung der türkischen Republik 1923 hat dreimal das Militär die Macht an sich gerissen. Jetzt erlebt das Land einen stillen Putsch, der es noch weiter entfernen wird von Dingen, die uns in Europa so wichtig sind: Gewaltenteilung, Pluralismus, Freiheit. Und das geführt wird von einem Mann, der aus seiner Geringschätzung, für diese westlichen Werte kein Hehl macht. Stoppen können diese Entwicklung nur die Türken selbst. Doch das wird mit jedem Tag schwieriger, den Erdogan die Türkei ein Stückchen mehr zu seinem Privatreich umfunktioniert.

(ber)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort