Verfassungsreferendum in der Türkei OSZE kritisiert ungleiche Wahlkampf-Bedingungen

Istanbul · Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kritisieren den Ablauf des Verfassungsreferendums in der Türkei. Internationale Standards seien nicht erfüllt worden. Die Regierung weist das zurück.

Ein Flaggenhändler steht am Tag nach dem Referendum in Istanbul in der Türkei (Symbolbild).

Ein Flaggenhändler steht am Tag nach dem Referendum in Istanbul in der Türkei (Symbolbild).

Foto: dpa, mkx axs

Es habe zahlreiche Mängel gegeben, kritisierte die internationale Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bei der Vorstellung ihres vorläufigen Berichts am Montag in Ankara. So hätten Befürworter und Gegner bereits im Wahlkampf nicht die gleichen Bedingungen gehabt.

"Missbrauch staatlicher Ressourcen"

"Die beiden Seiten der Kampagne haben nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt", heißt es von der OSZE. "Wähler wurden nicht mit unabhängigen Informationen über zentrale Aspekte der Reform versorgt." Derzeit herrscht in der Türkei weiterhin der Ausnahmezustand: Somit seien Grundfreiheiten eingeschränkt gewesen, "die für einen demokratischen Prozess wesentlich sind".

Die Wahlbeobachter bemängelten außerdem einen "Missbrauch staatlicher Ressourcen" des Lagers von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Auch durch die "aktive Beteiligung des Präsidenten" sei der Wahlkampf unausgewogen gewesen. Auch der Wahlvorgang selbst werfe Fragen auf: Durch die späte Entscheidung der Wahlkommission, Stimmzettel ohne Amtssiegel gelten zu lassen, seien wichtige "Schutzvorkehrungen" beseitigt worden.

Die türkische Regierung hat die Kritik der internationalen Wahlbeobachter mit scharfen Worten zurückgewiesen. Der Vorwurf der Beobachter sei "inakzeptabel", teilte das Außenministerium in Ankara am Montagabend mit. Präsident Erdogan bezeichnete das Referendum zudem als die "demokratischste Abstimmung" aller Zeiten. Kritik am Wahlprozess wies er als "politisch motiviert" zurück, als er sich am Montagabend auf den Stufen des Präsidentenpalasts in Ankara von seinen Anhängern feiern ließ. Der EU drohte Erdogan mit einem zweiten Volksentscheid über den Beitrittsprozess.

Gut 51 Prozent stimmten für Machtausweitung

Die OSZE und die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) hatten internationale Wahlbeobachter in die Türkei entsandt. Insgesamt waren es nach Angaben der OSZE 63 Beobachter aus 26 Ländern. Die internationalen Vertreter konnten aber nur stichprobenartig beobachten.

Gut 51 Prozent hatten sich bei der Volksabstimmung am Sonntag für die Ausweitung der Macht des Präsidenten ausgesprochen, knapp 49 Prozent dagegen. Die Opposition kritisierte, es sei zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Sie warf der Wahlkommission Rechtsverstöße vor und forderte die Annullierung des Ergebnisses.

Bei dem Votum ging es um ein Präsidialsystem, das Präsident Recep Tayyip Erdogan mit deutlich mehr Macht ausstatten soll. "Der 16. April ist der Sieg aller, die "ja" oder "nein" gesagt haben, aller 80 Millionen, der gesamten Türkei", sagte Erdogan vor Tausenden Anhängern in Istanbul.

Erdogan-Anhänger feiern "Ja" beim Referendum in der Türkei
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Erdogan-Anhänger feiern "Ja" beim Referendum in der Türkei

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Es gebe jedoch Menschen, die das Ergebnis schlechtmachten, so Erdogan. Das seien vergebliche Versuche. "Es ist jetzt zu spät", sagte er und kündigte an, eine Wiedereinführung der Todesstrafe zur Diskussion zu bringen. Medienberichten zufolge will Erdogan den Ausnahmezustand in der Türkei verlängern.

(hebu/dpa/afp/ap)
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