Griechenland-Hilfen Tsipras: EU-Verhandlungen hatten "Erpressungscharakter"

Athen/Berlin · Kaum hat der Bundestag der Verlängerung der Griechenland-Hilfe zugestimmt, kommen aus Athen schon wieder Töne, die in Berlin für Unmut sorgen dürften. Finanzminister Varoufakis und Regierungschef Tsipras wechseln sich dabei ab, die europäischen Partner zu verärgern.

Griechenland-Hilfen: Tsipras: EU-Verhandlungen hatten "Erpressungscharakter"
Foto: afp, tsc

Nach der Zustimmung des Bundestages zu einer Verlängerung der Griechenlandhilfe hat Athen erneut für Irritationen gesorgt. Das Wort "Schuldenschnitt" taucht wieder auf. Man spricht zudem von "Fallen" bei den Verhandlungen mit der EU und von "produktiver Undeutlichkeit". Und vermeintlich teure Gesetzesentwürfe sollen in der kommenden Woche vorangetrieben werden.

Tsipras' linksradikale Partei Syriza hatte vor einem Monat die Parlamentswahl gewonnen. Sie versprach dabei, die mit dem 240 Milliarden Euro schweren Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds verbundenen Sparauflagen zu beenden. Doch bei den Verhandlungen mit der Eurogruppe mussten Alexis Tsipras und sein Finanzminister Gianis Varoufakis sehr wohl Zugeständnisse machen. Allerdings ist offenbar völlig offen, inwieweit sie sich an die in Brüssel eingereichte Reformliste halten werden.

Schuldenschnitt statt Rettungspaket

Athens Regierungschef Alexis Tsipras brachte am Freitagabend abermals einen Schuldenschnitt ins Spiel, der bisher vor allem in Berlin abgelehnt wird. Ein drittes Rettungsprogramm schloss er dagegen aus. "Die Rettungsabkommen sind vorbei, sowohl in Form als auch in Inhalt", sagte Tsipras. "Einige wetten bereits auf ein drittes Rettungsprogramm, doch wir werden sie enttäuschen." Details dazu nannte er aber nicht.

"Wir haben die Ziele erreicht, die wir für diese erste Runde der Verhandlungen gesetzt hatten", sagte Tsipras in der vom Staatsfernsehen übertragenen Rede. Nun werde Athen "mit Ehrlichkeit ohne Erpressungen über die Substanz des Kreditabkommens" reden können. "Wir werden unseren Antrag auf Reduzierung der griechischen Schulden auf den Tisch legen", sagte Tsipras.

EU-Verhandlungen mit "Fallen"

Auch vor dem Zentralkomitee seiner Linkspartei Syriza sagte Tsipras am Samstag, es werde kein drittes Hilfsprogramm geben. Und räumte ein, die Verhandlungen mit den europäischen Partnern über die Hilfen für sein Land seien "sehr hart" gewesen.

Der Druck auf Griechenland habe "Erpressungscharakter" gehabt, "wir befinden uns auf vermintem Gelände, die konservativen Kräfte (in Europa) haben versucht, uns in eine Falle zu locken, um uns in die budgetäre Erstickung zu führen", sagte Tsipras.

"Produktive Undeutlichkeit" statt klarer Absprachen

Das griechische Finanzministerium bekräftigte am Samstag die Aussage von Finanzminister Gianis Varoufakis, wonach die griechischen Reformpläne in Abstimmung mit den Euro-Partnern absichtlich vage formuliert worden seien, um nicht die Zustimmung der Parlamente zu gefährden. Dies hatte in Berlin bereits am Freitag für erheblichen Unmut gesorgt.

Aus dem Athener Ministerium hieß es dazu unter anderem: "Der Begriff 'produktive Undeutlichkeit', auf den die griechische Regierung sich beruft, beschreibt exakt den Geist, in dem die Eurogruppe die meisten Differenzen beilegen konnte, so dass die Vereinbarung über eine viermonatige Verlängerung des Kreditabkommens erreicht werden konnte." Äußerungen, wonach die bisherigen Reformziele unangetastet blieben, entsprächen weder dem Geist noch dem Inhalt des Beschlusses der Eurogruppe. Unter anderem hatte das Berliner Bundesfinanzministerium der Darstellung von Varoufakis widersprochen.

Ungeachtet wachsender Zweifel an der neuen Athener Regierung hatte der Bundestag am Freitag mit großer Mehrheit einer Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland zugestimmt. Es geht dabei nicht um neue Finanzhilfen, sondern um mehr Zeit, das Programm abzuarbeiten.

Doch darüber, wie das Programm abgearbeitet werden soll, scheint Uneinigkeit zu herrschen. Viele deutsche Abgeordnete sind trotz der Zusage skeptisch, dass Athen die Vereinbarungen einhält.

Neue Gesetze für notleidende Bevölkerung

Kommende Woche will Tsipras mit einer Reihe von Gesetzen die notleidende griechische Bevölkerung entlasten. Wie diese finanziert werden sollen, bleibt abzuwarten. Demnach soll niemand sein Haus verlieren, wenn er die Kreditraten nicht zahlen könne, hieß es.

Tsipras kündigte zudem an, dass von der Vorgängerregierung geschlossene Staatsfernsehen ERT wieder zu öffnen. Die Regierung von Tsipras' rechtskonservativem Vorgänger Antonis Samaras hatte im Zuge ihrer rigorosen Sparpolitik sämtliche rund 2600 ERT-Mitarbeiter auf die Straße gesetzt. Als Nachfolgesender entstand später Nerit - mit nur noch 500 Beschäftigten. Die ERT-Schließung hatte seinerzeit in Griechenland eine Protestwelle ausgelöst. Wie das finanziert werden soll, ist noch völlig öffen. Nikos Pappas, der Berater des neuen Regierungschef Alexis Tsipras von der Linksallianz Syriza, schloss aber eine Gebührenerhöhung nicht aus.

Darüber hinaus solle ein Parlamentsausschuss ermitteln, wie es in Griechenland zum Zusammenbruch 2010 und zum Sparprogrammen gekommen ist. Tsipras kündigte weitere Gesetze gegen Korruption und Steuerbetrug an.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte, es dürfe in Griechenland keine neuen Sozialleistungen auf Kosten der Euro-Partner geben. "Solche Leistungen müssen selbst erwirtschaftet werden", sagte Oppermann der Funke-Mediengruppe.

Wie die neuen Maßnahmen der griechischen Regierung finanziert werden sollen, ist noch unklar. Um einen ausgeglichenen Haushalt zu garantieren, hat Finanzminister Gianis Varoufakis notfalls die Einführung einer Sonderabgabe für Vermögende angekündigt. "Wenn es nötig ist, werde ich auch eine Sondersteuer einführen, aber wir werden sie von denen nehmen, die zahlen können, nicht von denen, die nichts haben", sagte Varoufakis am Samstag dem TV-Sender "Skai".

(dpa)
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