Analyse Was das neue Sicherheitspaket bringt

Berlin · Bundesinnenminister Thomas de Maizière eröffnet mit einer langen Liste neuer und erneuerter Maßnahmen zur Terrorabwehr und zum härteren Umgang mit kriminellen Ausländern eine weitere Debatte zur inneren Sicherheit.

 Bundesinnenminister Thomas de Maizière glaubt, dass seine Vorschläge auch für die SPD tragbar sind.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière glaubt, dass seine Vorschläge auch für die SPD tragbar sind.

Foto: dpa, mkx sab

"Doppelpass abschaffen", verlangen die CDU-Landesminister in einem Papier, über das sie in der kommenden Woche beraten wollen. Bundesminister Thomas de Maizière sagt "nein" dazu. Er will die gesellschaftliche Befriedung in dieser Streitfrage nicht aufbrechen. "Burkas verbieten", verlangen die CDU-Landesminister. Und wieder sagt de Maizière: "Nein". Das sei verfassungsrechtlich bedenklich. Doch wer in seinen neuen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Sicherheitslage schaut und ihm genau zuhört, kann beide Stichworte dann doch wiederfinden. Nur konkreter. Und so ist vieles von dem, was er aufgeschrieben hat, um nach den jüngsten Anschlägen eine Debatte über Konsequenzen anzustoßen: ziemlich konkret.

Kein Burka-Verbot

Burkas will der Innenminister nicht generell verbieten. Aber da, wo sie stören. Als Beispiel nennt er den Straßenverkehr, das Standesamt, die Zeugenaussage vor Gericht. Offenbar schwebt ihm hier schon der nächste Gesetzesvorstoß vor, auch wenn er ihn jetzt noch nicht aufgeschrieben hat. Dafür ist das Stichwort Doppelpass fester Bestandteil seines neuen Maßnahmenpakets: Alle Islamisten mit einer zweiten Staatsangehörigkeit sollen ihre deutsche verlieren, wenn sie sich für den Dschihad einsetzen oder ausbilden lassen. Die CDU hat das schon einmal Anfang des Jahres gefordert, die SPD aber dafür nicht gewinnen können. Nun versucht de Maizière es erneut. Das gilt auch für die Absicht, Sympathiewerbung für Terrororganisationen zu verbieten.

Er glaubt, dass alle seine Vorschläge für die SPD zumutbar und noch in dieser Wahlperiode realisierbar seien. Tatsächlich gibt sich die SPD gesprächsbereit, vermisst jedoch einige Zahlen. Im "mittleren vierstelligen Bereich" will de Maizière die Sicherheitsbehörden personell verstärken. Das reicht SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nicht. "Der Bundesinnenminister hat es leider versäumt, klare Vorstellungen über mehr Personal und bessere Ausstattung für die Bundespolizei zu präsentieren", sagte Oppermann unserer Redaktion. Für das Sicherheitsgefühl der Menschen sei das aber entscheidend. Offenbar sträube sich der Finanzminister, mehr Geld für die innere Sicherheit bereitzustellen. Die SPD fordere seit Monaten insgesamt 12.000 neue Polizeistellen in Bund und Ländern. "Das ist machbar, wir sollten nicht weiter Zeit verstreichen lassen", so Oppermann.

Gefahren aus dem Darknet

Offensichtlich will de Maizière tatsächlich erst weitere Zahlen nennen, wenn er in den Nachverhandlungen über den nächsten Bundeshaushalt vorangekommen ist.

Wenn die Amoklauf-Waffe von München aus dem Darknet kam, und sich Terrorverdächtige im Internet verabredeten, dann nimmt de Maizière das zum Anlass, strukturell, personell und funktionell kräftig nachzulegen. Noch im Herbst baut er die "Zitis" auf, die "Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich", die Strategien und Software für den Kampf gegen Terror und Kriminalität im Internet liefern und am Ende 400 Köpfe stark sein soll. Wie im analogen Leben sollen verdeckte Ermittler auch im "Darknet" den Waffenhandel und die Kommunikation zwischen Terroristen aufklären. Ein Ziel: künftig auch WhatsApp-Kommunikation knacken zu können. Und rechtlich will de Maizière weitere Schranken einreißen: Alles, was die Ermittler bei der Telefonüberwachung dürfen, sollen sie auch im Internet genehmigt bekommen.

Um in Terrorlagen schneller Spezialisten vor Ort zu haben, führt er alle Spezialkräfte des Bundes organisatorisch zusammen. Und er will auch unter Führung der Polizei einüben lassen, wie die Bundeswehr miteinbezogen werden kann.

Bei vielen Details wird der Weg übers Gesetz in die Praxis noch für Debatten und Streit sorgen. So etwa bei einer massiven Ausweitung der Video-Überwachung, die dann mit neuer Software automatisch bei herrenlosen Koffern alarmiert und per Gesichtserkennung Verdächtige melden soll. Oder bei Lesegeräten, die gesuchte Fahrzeuge im fließenden Verkehr aufspüren. Oder beim Zugriff von Nachrichtendiensten auf internationale Datenbanken.

Zwei-Klassen-Recht

Auseinandersetzungen dürfte es ebenfalls um ein von de Maizière gewolltes Zwei-Klassen-Recht bei den abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerbern geben. Wer nicht abgeschoben wird, weil er etwa schwer erkrankt ist, soll künftig deutlich besser stehen als derjenige, der seine Ausreise hinauszögert, indem er etwa seinen Pass verschwinden lässt. Er dürfe dann nicht mehr lange bleiben und werde nur noch mit dem allernötigsten versorgt, schlägt de Maizière vor.

Und um die Identifizierung zu komplettieren und mögliche Terror-Verbindungen aufzuspüren, sollen bei der Registrierung auch die Facebook-Kontakteder Flüchtlinge aus den vergangenen sechs Monaten in den Blick genommen werden.

Auch im Umgang mit straffälligen Ausländern will de Maizère mehr Härte zeigen, einen neuen Grund für eine Abschiebehaft ins Strafgesetzbuch schreiben und in einer Bund-Länder-Task-Force herausfinden, wo weitere Abschiebe-Hindernisse liegen und wie die beseitigt werden können.

Bundesrat muss nicht zustimmen

Der Innenminister hat sich vorgenommen, alle diese Punkte so zu gestalten, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss, die Verhandlungen sich also auf die SPD konzentrieren können und nicht die Grünen einbeziehen müssen. Das heißt allerdings, dass alles, was der Minister als Paket vorstellte, nun in eine Vielzahl einzelner Projekte aufzuteilen ist - mit jeweils unterschiedlicher Realisierungschance.

Letztlich kann die Ideensammlung nicht garantieren, dass sie den großen Terroranschlag und die vielen weiteren Bedrohungen grundsätzlich verhindern. Sie zielt jedoch darauf ab, den irritierten Menschen zu zeigen, dass der Staat sich nicht mit eklatantem Missbrauch der Willkommenspolitik abfinden will.

(may-)
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