Wieder Tote in Syrien Giftgas-Raketen mit Material aus Deutschland

Vaihingen/Damaskus · In zwei größeren Gebieten halten sich noch Rebellen in Syrien auf. Die Regierungsarmee hat ihre Angriffe in Idlib und Ost-Ghuta zuletzt massiv ausgeweitet. Sie soll auch Giftgas-Raketen eingesetzt haben - mit Material aus Süddeutschland.

 Pressspan mit Aufschrift "Made in Germany" in einer Rakete, die angeblich bei einem mutmaßlichen Giftgas-Angriff verwendet wurde.

Pressspan mit Aufschrift "Made in Germany" in einer Rakete, die angeblich bei einem mutmaßlichen Giftgas-Angriff verwendet wurde.

Foto: dpa, scg

Bei mutmaßlichen Giftgas-Angriffen in Syrien soll auch Material einer Firma aus Baden-Württemberg benutzt worden sein. Die Firma Krempel aus Vaihingen zeigte sich am Mittwoch "entsetzt" über Bilder von angeblichen Giftgas-Raketen der syrischen Armee, die mit Material des Unternehmens gebaut wurden. Die Armee von Präsident Baschar al-Assad setzte indes ihre Angriffe auf die Rebellenhochburg Ost-Ghuta nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus fort. Nach Angaben von Beobachtern und Aktivisten starben dabei erneut mindestens 27 Zivilisten.

Man könne sich nicht erklären, wie das Produkt der Firma Krempel nach Syrien gelangt sei, erklärte ein Firmensprecher. Nach Recherchen der investigativen Internetplattform Bellingcat und der Organisation Syrians for Truth and Justice (STJ) wurden in den vergangenen Wochen mindestens zweimal Raketen mit Chlorgas auf das von Rebellen kontrollierte Gebiet östlich von Damaskus abgeschossen.

Bilder der Raketen zeigen ein Teil mit dem Logo des Unternehmens und der Aufschrift "Made in Germany". Der Krempel-Sprecher erklärte, es handele sich um Pressspan, ein Material, das zur Isolierung in Elektromotoren eingebaut werde. Die Firma liefert es demnach auch zum Weiterverkauf in kleineren Mengen an örtliche Händler im Iran. In diesem Fall sei wohl eine Scheibe ausgeschnitten und dann in die Rakete eingebaut worden, sagte der Sprecher. Krempel habe die aktuelle Lieferung in den Iran gestoppt und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) eingeschaltet.

Bellingcat-Autor Elliot Higgins erklärte, bei den Raketen handele es sich ursprünglich um konventionelle Modelle. Diese seien für den Giftgas-Einsatz umgebaut worden. Es lasse sich nicht sagen, in welchem Umfang das deutsche Material beim Bau von in Syrien eingesetzten Raketen benutzt werde.

Seit Wochen intensivieren die syrische Armee und ihre Verbündeten die Angriffe auf Ost-Ghuta. Bei den beiden mutmaßlichen Giftgas-Angriffen am 22. Januar und 1. Februar auf den Ort Duma waren Dutzende Menschen verletzt worden. Der lokale Aktivist Firas Abdullah, der Bilder von Überresten des Angriffs am 1. Februar gemacht hatte, erklärte, dass eine von insgesamt drei Raketen auf ein Wohngebiet abgefeuert worden sei. Es habe keine Explosion gegeben, aber es sei Gas ausgeströmt.

Hunderttausende von Außenwelt abgeschnitten

Seit Ende Dezember sind in Ost-Ghuta nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 390 Zivilisten durch Luftangriffe oder Artilleriebeschuss getötet worden. Mehr als 100 seien allein am Mittwoch verletzt worden, berichteten Aktivisten.
Nach UN-Schätzungen sind rund 400.000 Menschen weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Wegen der Blockade mangelt es akut an Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. Das Gebiet wird überwiegend von islamistischen Gruppen kontrolliert.

Das UN-Forschungsinstitut Unitar zeigte in einer aktuellen Satellitenanalyse mehrerer an der Frontlinie gelegener Stadtteile, dass allein in diesem Gebiet rund 8000 "Strukturen", darunter größtenteils Gebäude, zerstört oder heftig beschädigt wurden. Zuletzt hatten Rebellen auch wiederholt Raketen auf die von der Regierung kontrollierten Viertel von Damaskus gefeuert. Am Mittwoch sei dabei ein Kind im Stadtteil Dscharama getötet worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana.

Auch in der Rebellenprovinz Idlib im Nordwesten des Landes seien die Kämpfe zuletzt heftiger geworden. Tausende Kinder seien extremer Gefahr ausgesetzt, teilte die Hilfsorganisation Save the Children mit. Mehr als 30 Schulen seien aus Sicherheitsgründen zeitweise geschlossen worden.

(dpa)
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