Stichwahl in Frankreich Eine Schicksalsfrage bringt Macron den Sieg

Meinung | Paris · Die Franzosen hatten an diesem Sonntag die Wahl: Wollen sie eine Zukunft in der Europäischen Union? Die Entscheidung fiel deutlich aus. Das war wichtig, kann aber erst der Anfang sein.

Noch nie haben sich bei einer französischen Präsidentenwahl zwei Kandidaten gegenübergestanden, die derartig gegensätzliche Visionen für ihr Land vertraten: Eine liberale Gesellschaft und eine offene Ökonomie sowie ein klares Bekenntnis zur EU bei Emmanuel Macron. Dagegen Marine Le Pens Entwurf eines autoritären Nationalstaats mit dirigistischer Wirtschaftspolitik, der sich hinter seinen Grenzen verschanzt, Ausländer hinausdrängt und sich aus der EU verabschiedet. Die Franzosen standen am Sonntag also vor einer radikalen Wahl. Entschieden hat sie sich wohl an einer Schicksalsfrage: Europa.

Zwar beklagt sich die Hälfte der Franzosen in Umfragen über die EU, die in Frankreich noch viel stärker als in Deutschland für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht wird. Aber insgeheim wissen unsere Nachbarn eben doch, was sie an der Union haben und auch am vielgescholtenen Euro. Dass Le Pen die Rückkehr zum Franc forderte, war ihr größtes Handicap in diesem Wahlkampf. Am Ende versuchte sie noch, die Wähler mit einem wirren Konzept zu überzeugen, wonach Euro und Franc nebeneinander existieren sollten, und blamierte sich gründlich.

Erleichterung in Europa

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Trotzdem, und das ist die schlechte Nachricht, haben immerhin elf Millionen Franzosen für Le Pen gestimmt. Und längst nicht alle, die Macron gewählt haben, teilen seine positive Haltung zur EU, zur Globalisierung und zu offenen Grenzen. Die Erleichterung darüber, dass uns Le Pen im Elysée-Palast erspart geblieben ist, sollte uns daher nicht dazu verleiten, den Wahlsieg Macrons in ein flammendes Votum der Franzosen für Europa umzudeuten oder gar in ein Stopp-Signal für populistische Bewegungen in Europa. Man hat bei dieser Wahl sehen können, dass inzwischen fast die Hälfte der Franzosen bereit ist, für links- oder rechtsextreme Kandidaten zu stimmen, die eine radikale Abkehr vom europäischen Projekt predigen.

Für Emmanuel Macron sind das schwierige Voraussetzungen, um die nötigen Reformen durchzusetzen. Er hat jetzt fünf Jahre, um Frankreich wieder auf Kurs zu bringen und der verunsicherten Nation ihr Selbstvertrauen zurückzugeben. Wenn auch Macron wie seine Vorgänger im Elysée scheitert, die Großes versprochen und nur Geringes geleistet haben, dann droht er als der Präsident in die Geschichte einzugehen, der den Weg frei gemacht hat für die Machtübernahme der Extremisten. Am Sonntag hat Macron Le Pen verhindert. Das ist wichtig, kann aber nur der Anfang sein.

(RP)
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