Flüchtlingsandrang aus Slowenien 12.000 Menschen an einem Tag

Ljubljana/Zagreb/Wien · Trotz des schlechten Herbstwetters erreicht der Zustrom von Flüchtlingen über die Balkanroute einen neuen Rekord. Um Gewalt und einer Massenpanik vorzubeugen, lassen Polizisten an der österreichisch-slowenischen Grenze Hunderte Flüchtlinge passieren.

 An der Grenze zwischen Slowenien und Österreich i Spielfeld ist die Lage angespannt. Die österreichische Polizei öffnete die Grenze, um eine Panik zu vermeiden.

An der Grenze zwischen Slowenien und Österreich i Spielfeld ist die Lage angespannt. Die österreichische Polizei öffnete die Grenze, um eine Panik zu vermeiden.

Foto: dpa, ab pt

Der Flüchtlingsansturm über die neue Balkanroute via Kroatien und Slowenien hat am Donnerstag den österreichischen Grenzübergang Spielfeld buchstäblich überrollt. Um Gewalt und einer Massenpanik vorzubeugen, entfernten Polizisten an dem Übergang zu Slowenien zuvor errichtete Barrieren - wie sie erklärten, um den Druck zu vermindern, der von Nachdrängenden ausging. Es war auch die Konsequenz aus den Erfahrungen vom Vortag: Da hatten Tausende die Barrieren einfach durchbrochen.

Nach Polizeiangaben kamen rund 3000 Flüchtlinge Anweisungen nach, sich jenseits der Sperren in Gruppen zu sammeln. Aber Hunderte seien einfach nach Norden weiter gegangen. Auf der slowenischen Seite warteten derweil noch mehr als 1000 Flüchtlinge auf ihren Grenzübertritt.

Die österreichische Bahn stellte den Zugverkehr im Grenzgebiet zu Slowenien ein, um nicht entlang der Schienen wandernde Flüchtlinge zu gefährden.

Am Mittwoch waren rund 12.000 Menschen oft illegal über die grüne Grenze von Kroatien nach Slowenien gekommen, wie das dortige Innenministerium am Donnerstag in der Hauptstadt Ljubljana mitteilte. Der bisherige Tageshöchststand von Flüchtlingen auf der Balkanroute wurde am 23. September in Ungarn mit gut 10.000 ankommenden Flüchtlingen registriert. Ungarn hat inzwischen seine Grenze mit Stacheldraht abgeriegelt. Am Donnerstag trafen bis zum Mittag erneut 6500 Flüchtlinge in Slowenien ein.

Slowenien beklagte sich bitter über seinen EU-Nachbarn Kroatien, der ohne jede Absprache Tausende Menschen an die slowenische Grenze transportiere und dort einfach aussetze. Das sei unsolidarisch und unverantwortlich, sagte Innenstaatssekretär Bostjan Sefic. Er zeigte ein aus einem Hubschrauber aufgenommenes Video aus der Nacht, auf dem zu sehen ist, dass die Menschenmassen von kroatischen Polizisten direkt bis zur Grenze geführt werden. Dabei brächten sie viele Frauen und Kinder in Lebensgefahr, weil sie teilweise einen eiskalten Fluss durchqueren müssten, sagte er weiter.

Rund 4500 Migranten kamen am Donnerstag nach Angaben der Küstenwache von den Ägäis-Inseln Lesbos und Chios mit zwei Fähren auf dem griechischen Festland in Piräus an. Auch diese Menschen dürften auf der Balkanroute weiterreisen. Angesichts der angespannten Lage wurde EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am späten Nachmittag in Slowenien erwartet, um mit der Regierung EU-Hilfen zu besprechen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk stellte unterdessen besorgt fest, dass unter den bei Nässe und Kälte ziehenden Flüchtlingen sehr viele kleine Kinder seien. Der UNHCR-Mitarbeiter Niklas Störup sagte, 60 Prozent der von Serbien nach Kroatien wandernden Flüchtlinge kämen mit ihren Familien, "und vielleicht 45 Prozent haben Kinder unter fünf Jahren". Nach Angaben der kroatischen Polizei wanderten von Mitternacht bis Donnerstagmittag 1300 Flüchtlinge über die serbische Grenze.

Die vom Flüchtlingsstrom betroffenen Länder Südosteuropas erwarten von einem für Sonntag geplanten EU-Balkan-Treffen ein Konzept Brüssels. Zu dem Sondertreffen zur Flüchtlingskrise sind außer Bundeskanzlerin Angela Merkel auch die "Chefs" der EU-Länder Österreich, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Ungarn, Rumänien und Slowenien eingeladen. Es geht speziell um die Westbalkanroute.

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(lsa/dpa/ap)
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