Spionage-Affäre Schweizer Regierung wusste offenbar vom Steuer-Spitzel

Bern · Die Regierung in Bern war offenbar über den Spionageeinsatz innerhalb der NRW-Finanzverwaltung informiert. Finanzminister Ueli Maurer machte deutlich, dass es sich bei dem Einsatz nicht um einen Alleingang der Schweizer Nachrichtendienstes NDB gehandelt hat.

 Das NRW-Finanzministerium in Düsseldorf (Archivbild).

Das NRW-Finanzministerium in Düsseldorf (Archivbild).

Foto: dpa, kjh wst tig

Die Schweizer Regierung war nach Angaben von Finanzminister Ueli Maurer über den umstrittenen Spionageeinsatz gegen deutsche Steuerfahnder informiert. "Ich habe vom Engagement von Daniel M. gewusst", sagte er dem Schweizer "Tages-Anzeiger" (Freitag). Maurer machte deutlich, dass es sich bei dem Einsatz nicht um einen Alleingang des Nachrichtendienstes NDB gehandelt habe. Auch der Gesamtbundesrat und die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments seien über den Vorgang informiert gewesen.

Maurer war bis 2015 Verteidigungsminister und stand in dieser Funktion auch dem NDB vor. Nach deutschen Medienberichten soll der Schweizer Geheimdienst versucht haben, über einen Spion und einen noch nicht identifizierten Spitzel an Informationen über den Ankauf von Steuer-CDs zu gelangen.

Das Eingeständnis des Schweizer Ministers dürfte den bereits rauen Ton in der Affäre zwischen Berlin und Bern weiter verschärfen. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty sagte der dpa am Freitag, er sehe die Beziehungen zur Schweiz derzeit "auf einem historischen Tief angekommen". Sollten die Vorwürfe der gezielten Spionage in der NRW-Finanzverwaltung stimmen, müsse sich die Schweiz offiziell entschuldigen, forderte der SPD-Minister im "Spiegel".

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hatte zuvor bereits betont, das Land lasse sich im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht von der Spionage-Affäre ausbremsen. "Wir werden uns bei unserem Einsatz für Steuergerechtigkeit nicht einschüchtern lassen", sagte er der dpa. Seit Januar 2006 hatten mehrere deutsche Bundesländer, darunter vor allem Nordrhein-Westfalen, CDs mit Bankdaten von Steuersündern aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft. Dies sorgte für Verstimmungen zwischen Deutschland und der Schweiz.

Die Bundesregierung will den mutmaßlichen Spionagefall "bis ins Letzte" aufklären lassen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, beantwortet werden müssten die Fragen: "Warum? Wann? Mit wessen Beteiligung? Hintermänner? Zielrichtung der Aktivitäten und so weiter", sagte Seibert. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD)
telefonierte deswegen mit seinem Schweizer Amtskollegen Didier Burkhalter, wie eine Sprecherin bestätigte. Darüber hatte bereits die "Bild"-Zeitung berichtet.

Für seine mutmaßliche Spionage soll der Schweizer Beamte rund 60.000 Euro erhalten haben. Der Hamburger Anwalt des Mannes, den der Generalbundesanwalt vor einer Woche wegen Spionageverdachts in Frankfurt verhaften ließ, bestätigte zwar die Summe, betonte aber auch: "Es ist nach wie vor offen, wer dieses Geld gezahlt hat und wofür."

Politiker von CDU und SPD forderten politische Konsequenzen aus dem Fall. CDU-Innenexperte Armin Schuster hält ein Abkommen über einen Spionageverzicht zwischen Deutschland und dem Nachbarland für wünschenswert. SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz verlangte "sehr ernsthafte Gespräche mit der Schweiz" zu führen. Der langjährige Schweizer Botschafter in Deutschland, Tim Guldimann, warnte vor einer Eskalation. Die Angelegenheit sei "hochnotpeinlich", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach in der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag) von einem "doppelten Skandal". Zum einen verletze "der Schweizer Geheimdienst die deutsche Souveränität". Zum anderen sei es "offenbar das Ziel gewesen, die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen zu torpedieren, die sich seit Jahren daran macht, die großen Steuerbetrüger in Deutschland aufzuspüren".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte dagegen vor voreiligen Schlüssen. "Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Warten wir die Ermittlungen ab. Ich halte nichts von der öffentlichen Beschimpfung unserer Partner und Nachbarn", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".

Unterdessen scheint sich ein weiterer Vorwurf nicht zu bestätigen. Aus dem Auto eines Düsseldorfer Steuerbeamten gestohlene Notizen haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft nichts mit der Schweizer Spionageaffäre zu tun. Medien hatten zuvor über den Diebstahl berichtet und eine Verbindung zu den Steuer-CDs gezogen.

(dpa/th)
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