Volksentscheid Die Schweizer lehnen das bedingungslose Grundeinkommen ab

Genf · 2260 Euro als monatliche Transferleistung? Nicht mit den Eidgenossen. Nur 23 Prozent sprachen sich dafür aus.

 Der erste Anlauf zum Grundeinkommen in der Schweiz ist in einem Volksentscheid abgelehnt worden.

Der erste Anlauf zum Grundeinkommen in der Schweiz ist in einem Volksentscheid abgelehnt worden.

Foto: ap

Die Schweizer haben der Utopie eine heftige Abfuhr erteilt: Am Sonntag lehnten rund 77 Prozent der Wähler die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Helvetien wäre der erste Staat des Kontinents gewesen, in dem die Regierung den Einwohnern eine monatliche finanzielle Grundausstattung gezahlt hätte.

Dennoch dürfte das Votum der Eidgenossen die Debatte über das revolutionär anmutende Grundeinkommen in anderen Ländern weiter anregen. Trotz der Niederlage, die von Demoskopen vorausgesagt wurde, freute sich der Vater der Initiative, der Basler Daniel Häni, über den Zuspruch von über 20 Prozent. "Ich finde es sagenhaft und sensationell", sagte der Bistro-Betreiber nach der Abstimmung.

Tatsächlich hatten Häni und seine "Initiative Grundeinkommen" gegen eine breite Ablehnungsfront zu kämpfen. Regierung, Parlament, die Wirtschaft und selbst der Gewerkschaftsbund wollten von den Transfers nichts wissen. Gemäß dem Konzept sollte der Staat jedem Erwachsenen 2500 Schweizer Franken (knapp 2260 Euro) pro Monat steuerfrei zahlen, egal ob er die Schweizer Nationalität hat oder nicht. Einwanderer wären somit auch Empfänger geworden. Pro Kind sollte der Staat rund 625 Franken (knapp 565 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen. Das Grundeinkommen sollte mit anderen Zahlungen, etwa der Rente, verrechnet werden. Eine vierköpfige Familie wäre somit in den Genuss von monatlich weit über 5000 Euro gekommen.

Die Initiatoren versicherten: Die Finanzierung könnte gestemmt werden, in der reichen Schweiz sei genug Geld vorhanden. Doch das wollte keiner der Gegner glauben. Stattdessen wurden Ängste vor einer riesigen Umverteilungsmaschine geschürt. So befürchtete zum Beispiel der Ökonom Reiner Eichenberger, der Staat könne das nötige Geld für die Überweisungen an die Einwohner nur mit "exorbitanten Steuersätzen von 70 bis 100 Prozent" hereinholen. "Unter diesen Umständen muss man die Menschen zur Arbeit zwingen. Das braucht einen Kontrollstaat, und ich kann nicht verstehen, wie freiheitsliebende Menschen so etwas wollen." Letztlich, so prophezeite der Ökonom, führe das Grundeinkommen in die "Sklaverei".

Die Regierung selbst sprach von einer Finanzierungslücke von jährlich mehr als 22 Milliarden Euro. Zudem warnte das Kabinett vor einer Spaltung der Gesellschaft: Das Sozialsystem unterstütze die Menschen, die nicht selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, erklärte Innenminister Alain Berset. Mit dem Grundeinkommen erhielten alle Menschen eine Unterstützung, "auch ohne einen Beitrag an die Gesellschaft zu leisten. Das würde das Gerechtigkeitsempfinden vieler verletzen und den sozialen Zusammenhalt gefährden."

Neben dem Grundeinkommen standen in der Schweiz noch weitere Themen zur Abstimmung an: So sagten die Eidgenossen Ja zu einem neuen Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin. Und sie sagten Ja zu einer Beschleunigung der Asylverfahren. Mit der Zustimmung von mehr als 65 Prozent fügten die Wähler der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei eine deftige Schlappe zu - die SVP war gegen die Asyl-Reform zu Felde gezogen.

(RP)
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