Von Hillary Clinton bis Matthias Platzeck Wie krank dürfen Politiker sein?

Berlin · Der Fall Hillary Clinton offenbart es erneut: Krankheiten können sich Politiker nur in ruhigen Zeiten leisten, auf der Oppositionsbank oder bei glänzenden Umfragewerten. Wenn sie um ihre Macht kämpfen müssen, dann wird eine Krankheit zur offenen Flanke. Sie wird verschwiegen oder klein geredet – auch in Deutschland.

 Hillary Clinton leidet seit Tagen an einer Lungenentzündung.

Hillary Clinton leidet seit Tagen an einer Lungenentzündung.

Foto: afp, js

Der Fall Hillary Clinton offenbart es erneut: Krankheiten können sich Politiker nur in ruhigen Zeiten leisten, auf der Oppositionsbank oder bei glänzenden Umfragewerten. Wenn sie um ihre Macht kämpfen müssen, dann wird eine Krankheit zur offenen Flanke. Sie wird verschwiegen oder klein geredet — auch in Deutschland.

Der Gewinn und der Erhalt von Macht kostet viel Kraft. An der politischen Spitze können es nur Menschen dauerhaft aushalten, die psychisch und physisch eine enorm hohe Widerstandskraft haben. Bei wem die Gesundheit nicht mehr mitspielt, dem droht Machtverlust.

Man erinnere sich an Finanzminister Wolfgang Schäuble im Frühjahr 2010. Damals verließ er gegen den Rat der Ärzte die Klinik zu früh, weil er bei den Verhandlungen über die Euro-Rettung in Brüssel unbedingt präsent sein wollte. Prompt folgte ein nächster Krankenhausaufenthalt. Da ging das Geraune los, wie lange "der alte Mann im Rollstuhl" wohl noch sein Ministeramt behalten könne. Sarkastisch ließ Schäuble damals vom Krankenbett aus verlauten, Nachrichten über sein Ableben seien verfrüht. Mehr als fünf Jahre danach wird im Regierungsviertel nicht mehr ausgeschlossen, dass der mittlerweile fast 73-Jährige noch einmal als Finanzminister antritt. Er ist sogar als Übergangskanzler im Gespräch, sollte es zu einem überraschenden Abgang der Kanzlerin kommen.

Immer wieder Spekulationen über Seehofers Gesundheit

Bei Angela Merkel muss man sich jedenfalls keine Sorgen machen, sie müsse aus gesundheitlichen Gründen abtreten. Ihre Kondition für Fernreisen, nächtliche Sitzungen und Dauerstress ist legendär. Im Sommer 2015 hieß es, die Kanzlerin habe in Bayreuth einen Schwächeanfall erlitten. In Wahrheit aber hatte sich nur der Stuhl weniger robust als die Kanzlerin gezeigt.

Für viel Wirbel sorgte aber ein Skiunfall der Kanzlerin. Im Weihnachtsurlaub zum Jahreswechsel 2013/2014 stürzte sie in der Schweiz beim Langlaufen und zog sich einen Beckenringbruch zu. Für drei Wochen musste Merkel Reisen und Termine absagen und das Land vom Krankenbett aus führen. Da sie nur auf Zeit gehandicapt, aber nicht geschwächt war, hatte die Verletzung für sie keine politisch negativen Folgen. Zumal damals ihre Umfragewerte ohnehin sehr gut waren.

Merkels Kontrahent in der Koalition, Horst Seehofer (CSU), hatte schon mehrfach mit gesundheitlichen Problemen zu tun. Bereits 2002 verschleppte Seehofer eine Grippe, in dessen Folge er eine lebensgefährliche Herzmuskelentzündung bekam. Seitdem gibt es immer wieder Spekulationen über seine Gesundheit. Als Seehofer im Sommer 2015 von den Festspielen Bayreuth in ein Krankenhaus gebracht werden musste, sah er sich anderntags bemüßigt festzustellen, um ihn müsse sich niemand Sorgen machen. Er fühle sich fit. Schwächen kann sich Seehofer nicht leisten. Denn mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder steht ein Konkurrent bereit, der lieber heute als morgen die Regierungsgeschäfte übernehmen möchte.

Seehofer kann Geschichten der gesundheitlichen Schwäche über sich aber nicht immer verhindern. Auch vom letzten Treffen der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth ist ein Schwächefanfall Seehofers dokumentiert.

Platzeck: Zwei Hörstürze, Kreislauf- und Nervenzusammenbruch

Konsequenzen aus seinen gesundheitlichen Problemen zog der frühere brandenburgische Ministerpräsident und einstige SPD-Chef Matthias Platzeck. Ihm setzte offensichtlich vor allem der Stress in seinen Ämtern zu. In seinen wenigen Monaten als SPD-Parteichef erlitt Platzeck zwei Hörstürze sowie einen Kreislauf- und Nervenzusammenbruch. Seine dramatischen gesundheitlichen Einbrüchen standen auch symbolisch für die Überforderung des Ministerpräsidenten aus Brandenburg, die damals krisengeschüttelte, selbstzerstörerische SPD zu führen. Platzeck legte das Amt nach weniger als einem halben Jahr nieder und blieb Landesvater in Brandenburg. Dieses Amt wiederum stellte er 2013 nach einem Schlaganfall zur Verfügung.

Noch vor Gründung der Linkspartei musste beim PDS-Politiker Gregor Gysi 2004 ein Aneurysma (Blutgefäß-Verstopfung) im Gehirn beseitigt werden. Der Politiker hatte damals schon zwei Herzinfarkte erlitten. Die "Bild"-Zeitung veranlasste dies, einen simulierten Querschnitt durch Gysis Hirn zu zeigen. Nach der OP, die mit Komplikationen verlief, versicherte sein Sprecher die Zurechnungsfähigkeit seines Chefs. Gysi sei "Herr seiner Gedanken und seines Körpers", sagte er. Er betonte zudem, dass Gysi keine bleibenden Schäden zurückbehalten werde.

Helmut Kohl verschob OP-Termin

Die Botschaft vom Krankenbett an politische Feinde und Freunde war eindeutig: Mit mir müsst ihr weiter rechnen. Gysi trat nie aus gesundheitlichen Gründen kürzer. Als sich Merkel einmal nach seinem Befinden erkundigte und er seine zahlreichen Schwierigkeiten auflistete, riet sie ihm, doch öfters mal auf seine Frau zu hören. Doch Gysi hörte weder auf Merkel noch auf seine Frau. Erst 2015 mit 67 Jahren gab er den Fraktionsvorsitz ab.

Es gibt auch kritische Situationen, in denen Politiker ihre Krankheiten lieber geheim halten. So verschwieg Helmut Kohl 1989 vor dem CDU-Parteitag in Bremen seine Prostata-Erkrankung. Es war ein Putschversuch gegen ihn geplant, den es aufzuhalten galt. Trotz enormer Schmerzen verschob er den OP-Termin auf die Zeit nach dem Parteitag. In seinen Erinnerungen schreibt er dazu: "Für mich kam das einer Katastrophe gleich. In der damaligen Situation hätte mir niemand abgenommen, dass ich wirklich krank war. Viele würden denken, dass ich mich vor der Auseinandersetzung mit Heiner Geißler und seinen Anhängern drücken wollte."

(qua)
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