Referendum über Flüchtlinge in Ungarn Viktor Orban sieht sich in jedem Fall als Sieger

Budapest · Der starke Mann Ungarns fordert die EU heraus. Seiner Anti-Flüchtlings-Abstimmung dürfte aber kein durchschlagender Erfolg beschieden sein. Viktor Orban wird das jedoch nicht davon abhalten, weiter gegen "Brüssel" zu wettern.

 Viktor Orban und Gattin bei der Stimmabgabe.

Viktor Orban und Gattin bei der Stimmabgabe.

Foto: ap, VG

Bei der Stimmabgabe demonstrierte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Sonntag Gelassenheit. Egal, ob die Abstimmung gültig ist oder nicht, ließ er die vor seinem Wahllokal im Budapester Grünviertel Zugliget wartenden Reporter wissen, seine rechts-konservative Regierung werde handeln: "Wir haben immer gesagt:
nur das ungarische Parlament kann entscheiden, mit wem die Ungarn zusammenleben wollen, und das werden wir gesetzlich festschreiben."

In den letzten Tagen und Wochen vor dem Referendum über die EU-Flüchtlingsquoten hatte Ungarns starker Mann noch ganz anders geklungen. "Ich bin immer ein wenig enttäuscht, wenn die Wahlbeteiligung unter 100 Prozent liegt", hatte er vor zehn Tagen im Interview mit dem Internet-Portal "origo" verlautet. "Am 2. Oktober wird sich zeigen, wie scharf das Schwert ist für den Kampf gegen die Brüsseler Bürokraten."

50 Prozent müssen ihre Stimme abgeben

Doch schon die letzten Umfragen legten nahe - und die im Laufe des Sonntag bekannt gewordenen Beteiligungsraten schienen es zu bestätigen -, dass die Volksabstimmung die seit 2010 geltenden, von Orban verfügten Gültigkeitskriterien nicht erfüllen würde. Denn diesen zufolge muss mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben.

Bei der letzten Volksabstimmung im Jahr 2008 war dies knapp der Fall. Auch sie hatte Orban, damals als Oppositionschef, mit einem Volksbegehren vom Zaun gebrochen. Sie hatte der Ablehnung der Sozialstaats-Reformen des damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany gegolten - und war ein Erfolg für das Orban-Lager. Das Quorum war damals viel leichter zu erfüllen, denn es genügte, dass 25 Prozent der Wahlberechtigten die selbe Antwort ankreuzten.

Für Vergleiche sind die Beteiligungsraten der Abstimmung 2008 dennoch interessant. Am Sonntag haben laut Wahlbüro bis 15.00 Uhr 30,7 Prozent der Wahlbürger ihre Stimme abgegeben. 2008 waren es zur selben Zeit fünf Prozentpunkte mehr. Für das Quorum bei diesem Urnengang wären dann noch die ungültigen Stimmen abzuziehen. Die Satire-Partei "Zweischwänziger Hund" hatte mit einer durchaus sichtbaren und originellen Kampagne - finanziert durch Kleinst-Spenden über sogenanntes "Crowd-Funding" - für diese Option geworben.

Orban hatte sich in den letzten Monaten als lautstarker Gegner der Asylpolitik der EU-Kommission und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stellung gebracht. Er schmiedete Allianzen mit Merkels koalitionsinternem Gegenspieler Horst Seehofer (CSU) und mit den anderen Ländern der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), die sich gegen die EU-Quoten für die Verteilung von Asylsuchenden zur Wehr setzen.

Die Vertreter der EU-Spitzengremien kanzelte Orban als "Eliten" ab, die sich den Wählern in den europäischen Ländern "entfremdet" hätten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz beschimpfte er als "Nihilisten". In Ungarn ließ er die Angst vor muslimischen Einwanderern schüren. Seine Propagandisten schwadronierten von "Horden von Invasoren" daher, geschickt von einer "Hintergrundmacht", die wiederum durch den US-Milliardär und Philantropen George Soros personifiziert werde. Die Völker Europas sollten so ihres "christlichen und nationalen Charakters" beraubt werden.

Gemessen an der Intensität der Hetzkampagne dürfte das Ergebnis am Sonntag eher mager ausgefallen sein. Ist nun Orbans Schwert, mit dem er die "Nihilisten" in Brüssel bekämpft, stumpf oder scharf? Für Orban bestehen da wohl keine Zweifel. Da in absoluten Zahlen mehr als drei Millionen Ungarn gegen die EU-Quoten gestimmt haben dürften, wird der Populist aus Budapest sein Schwert als geschliffener denn je empfinden.

(felt/dpa)
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