Türkischer Präsident gießt weiter Öl ins Feuer Erdogan nennt EU "faschistisch" und "grausam"

Ankara · Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die EU "faschistisch" und "grausam" genannt. Die Lage in Europa erinnere ihn an die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg, sagte er am Dienstag.

Erdogan bei einem seiner Wahlkampfauftritte am dritten Märzwochenende.

Erdogan bei einem seiner Wahlkampfauftritte am dritten Märzwochenende.

Foto: afp, ADEM

Die Zeit sei vorbei, da sein Land durch den EU-Beitrittsprozess und das Flüchtlingsabkommen unter Druck gesetzt werden könne. Eine Neuausrichtung der Beziehungen zur Europäischen Union seien nötig.

Im Streit über Auftritte türkischer Politiker in Deutschland drohte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel der Türkei mit Konsequenzen, wenn deren Politiker ihre Nazi-Vergleiche nicht einstellten. Erdogan sagte, aus dem Referendum zur Verfassungsreform am 16. April werde hinsichtlich der Beziehungen zur EU eine völlig neue Türkei hervorgehen. Dann werde er mit der EU über die künftigen Beziehungen diskutieren und tun, was nötig sei.

Zu Deutschland sagte er, türkische Imame und Religionslehrer würden dort wie Agenten behandelt. Zugleich habe sich ein "Agenten-Terrorist" im deutschen Konsulat versteckt gehabt und Kanzlerin Angela Merkel habe ihn gebeten, den Mann freizulassen, sagte Erdogan unter Anspielung auf den in Untersuchungshaft sitzenden deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. "Von nun an darf kein Europäer als Agent in unserem Land agieren."

Die türkische Führung liegt mit mehreren EU-Staaten im Streit, weil türkische Politiker dort auf Wahlkampfauftritten für das Referendum werben wollen. In einigen Ländern wurde es ihnen untersagt. Mit dem neuen Präsidialsystem würde Erdogan weitreichende Machtbefugnisse erhalten Gabriel erklärte, die Türkei sei in einer Verbalnote auf die Einhaltung der deutschen Rechtsordnung hingewiesen worden. Dazu gehöre Paragraf 90a des Strafgesetzbuches, wonach die Bundesrepublik nicht verächtlich gemacht werden dürfe. Eine Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus sei ein solcher Fall.

In dem Schreiben an die türkische Regierung sind die Genehmigungen für die Abstimmung über das Referendum auf deutschem Boden sowie für Auftritte türkischer Politiker daran geknüpft, dass sie auf der Grundlage von deutschem Recht und Gesetz erfolgen. Gabriel sagte, bei Verletzungen der Rechtsordnung müsse die Regierung die Verbalnote überdenken. Auch Merkel hatte am Montag darauf verwiesen, dass Auftritte türkischer Politiker nur auf der "Grundlage der Prinzipien des Grundgesetzes" möglich seien.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier forderte, schon aus Gründen der Selbstachtung Konsequenzen zu ziehen. "Herr Erdogan und seine Regierung sind in unserem Land nicht erwünscht, und das muss jetzt klar sein", sagte der CDU-Vize im Deutschlandfunk. Mit Erdogans Vorwurf, Merkel wende Nazi-Methoden an, sei die rote Linie erreicht.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn warnte die Türkei davor, ihre Chancen auf einen EU-Beitritt zu verspielen. "Wenn sie ihren Kurs nicht rasch ändert, wird eine Mitgliedschaft in der Tat immer unrealistischer", sagte er der "Bild". Das autoritäre Vorgehen Erdogans und die geplante Verfassungsänderung seien eine Abkehr von Europa. Hahn verurteilte zugleich die jüngsten Drohungen und Nazi-Vorwürfe türkischer Politiker. Damit schadeten diese dem eigenen Land und schreckten Touristen ab.

Der Präsident der Union Europäisch-türkischer Demokraten (UETD), Zafer Sirakaya, sagte der Wirtschaftswoche, bis zum Referendum würden keine Veranstaltungen mit türkischen Regierungsvertretern in Deutschland organisiert. Die UETD gilt als Plattform der türkischen Regierungspartei AKP. Auch eine Sprecherin der AKP-Koordinierungsstelle sagte dem "Spiegel", bis zum Referendum sollten keine Minister mehr auftreten.

(felt/REU)
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