Nach Rücktritt des libanesischen Regierungschefs Saudi-Arabien rät Landsleuten, Libanon zu verlassen

Riad · Die politische Krise um den Libanon spitzt sich weiter zu: Saudi-Arabien rief seine Landsleute am Donnerstag auf, den Libanon möglichst rasch zu verlassen. Am selben Tag wurden in Saudi-Arabien bei Razzien Hunderte Verdächtige festgenommen. Nun schaltet sich auch Frankreichs Präsident Macron ein.

 Der saudi-arabische König Salman (l) mit dem neuen Kronprinzen Mohammed bin Salman (Archivbild).

Der saudi-arabische König Salman (l) mit dem neuen Kronprinzen Mohammed bin Salman (Archivbild).

Foto: dpa, OWE

Vor wenigen Tagen hatte der libanesische Regierungschef Saad Hariri von Saudi-Arabien aus überraschend seinen Rücktritt erklärt.

Die amtliche saudiarabische Nachrichtenagentur SPA meldete unter Berufung auf Informationen aus dem Außenministerium, die Saudiaraber seien aufgefordert worden, wegen der "Lage" im Libanon nicht dorthin zu reisen. Die Ankündigung befeuerte Befürchtungen, dass dem Libanon erneut ein Bürgerkrieg drohen könnte.

Der Iran hatte Saudi-Arabien nach dem Rücktritt Hariris vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten des Libanons einzumischen und Hariri zum Rücktritt gezwungen zu haben. Hariri hatte seinen Rücktritt vor allem mit einer Gefahr für sein Leben begründet. Dem Iran und der schiitischen Hisbollah-Miliz warf der sunnitische Politiker vor, im Libanon einen "Staat im Staat" geschaffen zu haben. Seither verstärkten sich die Spannungen zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien noch zusätzlich.

Der libanesische Außenminister Gebran Bassil forderte am Donnerstag über den Kurzbotschaftendienst Twitter die Rückkehr Hariris. Bassil ist der Schwiegersohn von Staatspräsident Michel Aoun, der Hariris Rücktritt noch nicht angenommen hat. In der Region gibt es Spekulationen, dass Hariri gegen seinen Willen in Saudi-Arabien festgehalten wird. Er hat auch die saudiarabische Staatsbürgerschaft, seine Frau und Kinder leben in dem Königreich.

Eine der Hisbollah nahestehende Zeitung schrieb, Hariri sei eine "Geisel" Riads. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah suggerierte, dass Hariri sich wegen der Anti-Korruptions-Kampagne in Saudi-Arabien nicht mehr frei bewegen könne.

Auf Fragen nach Hariris Schicksal antwortete sein Büro im Libanon, er habe sich am Donnerstag in seinem Haus in Riad mit dem französischen Botschafter François Gouyette getroffen. Am Donnerstagabend wurde der französische Präsident Emmanuel Macron in Riad erwartet. Er wolle mit Kronprinz Mohammed bin Salman sprechen, kündigte Macron überraschend bei einem Besuch in Dubai an.

Frankreich habe eine Rolle als "Friedensstifter", sagte Macron. Themen bei dem zweistündigen Besuch seien der Iran, Libanon und Jemen und die Stabilität in der Region. Saudi-Arabien sieht seit Jahren mit Unbehagen, dass der Iran im Jemen, Syrien, dem Irak und dem Libanon seinen Einfluss ausweitet.

Derweil gab es in dem Königreich am Donnerstag Anti-Korruptions-Razzien, bei denen nach offiziellen Angaben mehr als 200 Verdächtige festgenommen wurden.

Macrons Gesprächspartner, der Kronprinz und De-Facto-Herrscher, gilt als Verantwortlicher der aufsehenerregenden Festnahmewelle vom Wochenende. Unter den Festgenommenen sind dutzende Prinzen, Minister, milliardenschwere Geschäftsleute und andere Persönlichkeiten. Ihre Konten wurden eingefroren. Die saudiarabische Generalstaatsanwaltschaft gab am Donnerstag bekannt, durch Korruption und Unterschlagung sollen dem Königreich in mehreren Jahrzehnten geschätzt mindestens 100 Milliarden Dollar (86,1 Milliarden Euro) verloren gegangen sein.

Die Festnahmen waren unmittelbar nach der Einsetzung einer Anti-Korruptions-Kommission unter Leitung des Kronprinzen erfolgt. Der Sohn des greisen Königs Salman dürfte das Ziel haben, bis zu seiner endgültigen Machtübernahme alle Widersacher aus dem Weg zu räumen. Von 208 Festgenommenen seien sieben ohne Anklage wieder freigelassen worden, teilte das Informationsministerium mit.

(ate/afp)
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