Verdacht auf Attentat Polens Ex-Präsident Kaczynski wird exhumiert

Warschau · Für den Chef der polnischen Regierungspartei kann der Tod seines Bruders 2010 nicht einfach ein Unfall gewesen sein. Er lässt die Leiche des bei einem Flugzeugabsturz getöteten Präsidenten Lech Kaczynski aus dem Grab holen.

 Ein Leichenwagen fährt in die Wawel-Burganlage, wo die Gräber Lech Kaczynskis und seine Frau Maria geöffnet werden sollen.

Ein Leichenwagen fährt in die Wawel-Burganlage, wo die Gräber Lech Kaczynskis und seine Frau Maria geöffnet werden sollen.

Foto: dpa, mgo bjw

In Polen ist am Montag die Exhumierung der Leichen des früheren Präsidenten Lech Kaczynski und seiner Frau Maria vorbereitet worden. Sie sollten am Abend in Gegenwart von Kaczynskis Tochter Marta und dessen Bruder Jaroslaw aus ihren Marmorsärgen in der Krakauer Kathedrale geholt und an der Jagiellonen-Universität noch einmal untersucht werden, um die Todesursache festzustellen. Insgesamt sollen 83 Leichen von Mitgliedern der Delegation untersucht werden, mit der Kaczynski am 10. April 2010 im russischen Smolensk abstürzte.

Untersuchungen russischer und polnischer Ermittler waren nach dem Absturz zu dem Schluss gekommen, das Regierungsflugzeug sei verunglückt, weil dem Piloten bei schlechtem Wetter ein Fehler unterlaufen sei. Kaczynskis Bruder Jaroslaw schürt dagegen seit Jahren den Verdacht, dass sein Bruder einem russischen Attentat zum Opfer gefallen sei. Polen sei kein wirklich freies Land, solange die Wahrheit über diesen Fall nicht ans Licht komme, sagte der Chef der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit. Polens damaliger Ministerpräsident Donald Tusk habe den Absturz seinerzeit nur nachlässig untersuchen lassen, weil er einen Anschlag gebilligt oder sogar unterstützt habe. Der Liberale Tusk bestreitet das.

Bei den Untersuchungen soll nach Spuren von Sprengstoff gesucht werden, um dem Verdacht nachzugehen, das Flugzeug sei gesprengt worden. Russland weigert sich, die Flugschreiber und die Überreste der Maschine an Polen zu überstellen, was viele Polen in dem Verdacht bestärkt, Moskau habe etwas zu verbergen. Die Mehrheit der Polen hält allerdings nichts von Verschwörungstheorien zum Tod ihres früheren Präsidenten.

Hinterbliebene von 17 Absturzopfern kritisierten in einem Offenen Brief die Exhumierung ihrer Angehörigen. Die Regierung schere sich nicht um die Gefühle der Familien, kritisierte Malgorzata Rybicka, deren Mann Arkadiusz bei dem Absturz ums Leben kam. Dagegen sagte die Tochter des damals ebenfalls getöteten Abgeordneten Zbingiew Wasserman, die Exhumierungen seien notwendig, weil es 2010 in Polen keine Autopsien gegeben habe. Die Russen hätten ihrem Vater seinerzeit eine völlig gesunde Leber bescheinigt, dabei sei ihm ein Teil des Organs bei einer Operation entfernt worden, sagte Malgorzata Wasserman.

Hinweis: Die Schreibweise des Namens Arkadiusz wurde im Nachhinein korrigiert.

(bur/ap)
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