Regierungsbildung in Österreich ÖVP und FPÖ einigen sich auf Koalition

Wien · In Deutschland ist fast drei Monate nach der Wahl alles offen. In Österreich sind Konservative und Rechtspopulisten nach sieben Wochen am Ziel. Das Land bekommt seinen bisher jüngsten Regierungschef.

 Heinz-Christian Strache (l.) und Sebastian Kurz auf der Pressekonferenz am Freitag.

Heinz-Christian Strache (l.) und Sebastian Kurz auf der Pressekonferenz am Freitag.

Foto: afp, RS

In Österreich haben konservative ÖVP und rechte FPÖ ein Regierungsbündnis vereinbart. Das teilten die beiden Parteien nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen am Freitagabend in Wien mit. Vorbehaltlich der Zustimmung der Parteigremien soll die neue Koalition zum Wochenanfang vereidigt werden.

Der 31-jährige ÖVP-Chef Sebastian Kurz wäre damit der europaweit jüngste Regierungschef. Mit der FPÖ zieht eine weitere rechtspopulistische Kraft in Europa in ein Kabinett ein.

Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatten rund sieben Wochen an einem Bündnis gefeilt. Eckpunkte der Zusammenarbeit sollen unter anderem eine Steuerreform, eine Stärkung der direkten Demokratie und ein noch schärferer Anti-Migrationskurs werden. Bisher fehlten aber zu vielen Punkten die Details. Für Freitagabend war eine erste öffentliche Stellungnahme von Kurz und Strache nach Abschluss der Verhandlungen geplant.

Zu den wichtigen Personalien zählt die Besetzung des Außenministeriums. Laut bisherigen Aussagen wird die 52-jährige Nahost-Expertin Karin Kneissl als Chefdiplomatin Nachfolgerin von Kurz. Kneissl ist FPÖ-nah, ohne Parteimitglied zu sein. Kurz hatte stets betont, dass Österreich auch künftig einen proeuropäischen Kurs beibehalten werde. Die Zuständigkeit für EU-Themen soll vom Außenministerium ins Kanzleramt verlagert werden.

Inhaltlich geeinigt hat sich die künftige Koalition auf die Wiedereinführung von Schulnoten in der Grundschule und auf Sonderklassen für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen. Das von SPÖ und ÖVP zum Mai 2018 beschlossene Rauchverbot in Gaststätten wird auf Drängen der FPÖ nicht kommen. Dieser Schritt war von Medizinern und auch von einigen ÖVP-Funktionären scharf kritisiert worden.

ÖVP stärkste Kraft

Die ÖVP war bei der Wahl am 15. Oktober zur stärksten Kraft geworden. Die bisher in einer Koalition mit der ÖVP regierenden Sozialdemokraten unter Kanzler Christian Kern hatten früh eine weitere Zusammenarbeit mit den Konservativen ausgeschlossen. Die FPÖ ist zum dritten Mal in der österreichischen Nachkriegsgeschichte in einer Regierung vertreten.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss die neue Regierung absegnen. Er hat die Möglichkeit, einzelne Minister abzulehnen. Dies wird aber nicht erwartet. Die Koalitionsverhandlungen liefen in engem Kontakt mit dem Prädialamt ab. Kurz und Strache waren mehrfach bei Van der Bellen, um über Inhalte und Peronalien zu berichten. Die Vereidigung des Kabinetts wird für Anfang kommender Woche erwartet.

Im Gegensatz zur ersten Koalition von ÖVP und FPÖ vor 15 Jahren werden diesmal keine internationalen Proteste erwartet. Damals hatte die EU die Alpenrepublik mit diplomatischen Sanktionen belegt, weil Brüssel die FPÖ für teils rechtsextrem hielt. Dies führte aber nur zu einem verstärkten Zusammenhalt der Koalition. Inzwischen spielen Rechtspopulisten in vielen Ländern Europas eine wichtige Rolle.

(ems)
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