Streit um deutsche Soldaten in der Türkei Lammert macht Erdogan eine klare Ansage

Meinung | Berlin · Zurückhaltend im Ton, aber klar in der Stoßrichtung. So hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf die Nachricht reagiert, dass der Streit um das absurde Besuchsverbot deutscher Soldaten durch Bundestagsabgeordnete in Incirlik weitergeht. Die Drohung mit einem Abzug war richtig.

 Norbert Lammert findet regelmäßig deutliche Worte.

Norbert Lammert findet regelmäßig deutliche Worte.

Foto: dpa, wk pil

Auf Lammert ist Verlass. Wann immer wer auch immer die Rechte seiner Abgeordneten schmälert, bekommt er es mit dem Parlamentspräsidenten zu tun. Nun eben Recep Tayyip Erdogan. Der hatte die Idee gehabt, sich für die Armenien-Resolution des Bundestages mit der von Ankara scharf kritisierten Völkermord-Formulierung ganz gezielt an denen zu rächen, die sich dem immensen türkischen Druck nicht hatten beugen wollen: an den Bundestagsabgeordneten. Als eine Gruppe um Verteidigungs-Staatssekretär Ralf Brauksiepe im Juni die Bundeswehrsoldaten im türkischen Stützpunkt besuchen wollte, stellte sich die Türkei quer. Ihr Besuch sei derzeit "nicht erwünscht". Und auf vertraulichem Kanal kam die Erklärung dazu, in der ausdrücklich auf die Armenien-Resolution verwiesen wurde.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen testete die Türkei, indem sie daraufhin ohne Journalisten (die waren zuvor ebenfalls beim Versuch eines Incirlik-Besuches bereits gescheitert) die Truppe der Tornado-Aufklärer besuchte und sich über die von Incirlik aus unterstütze Mission gegen die islamistische IS-Miliz informierte. Sie kam selbst durch, in den Gesprächen mit Offiziellen aber nicht voran. Die Opposition kritisierte die Ministerin, weil sie nicht mutiger agierte und etwa wie sonst üblich Abgeordnete mit in ihre Delegation nahm.

Vermutlich wäre es dann schon bei der von-der-Leyen-Kurzvisite zum nächsten Eklat gekommen. Darauf deutet der ergebnislose Versuch der Kanzlerin hin, die deutsch-türkische Besuchsposse im Gespräch mit Erdogan aus der Welt zu schaffen. Das nahm Lammert zum Anlass, den Nato-Partner Türkei auf die besondere Rolle des Bundestages bei Bundeswehreinsätzen hinzuweisen und dabei ausdrücklich mit einem möglichen Abzug zu drohen. Er tat dies noch relativ zurückhaltend. Der Bundestag stimme dem Einsatz deutscher Soldaten im Ausland grundsätzlich nur zu, wenn diese im Rahmen internationaler Missionen dort gebraucht würden und willkommen seien, erläuterte der protokollarisch zweite Mann im Staat. Im Falle Incirlik müsse jeder wissen, dass die Soldaten "dort, wo sie nicht willkommen sind, nicht dauerhaft bleiben werden".

So zurückhaltend die Drohung auch formuliert war, so dürfte sie eventuelle diplomatische Versuche, die Angelegenheit still und dezent zu lösen, deutlich erschwert haben. Und auf wenig Verständnis dürfte in der Bundesregierung auch der Umstand stoßen, dass Lammert genau dem folgte, was Grünen-Chef Cem Özdemir, der Initiator der Armenien-Resolution, tags zuvor vorgeschlagen hatte. Und doch war die Intervention richtig. Die Gelegenheit für ein gesichtswahrendes Runterdimmen des Streites war bereits beim Spitzengespräch Merkel-Erdogan gegeben. Indem das ungenutzt blieb, wurde es zum Gebot der Stunde, die Stellung des Bundestages zu markieren. Sonst hätte letztlich auch eine Entwertung der Armenien-Resolution gedroht.

In der Sache schadet Erdogan ohnehin vor allem der Türkei: Der Kampf gegen den Terror durch die Anti-IS-Allianz geschieht in seinem Interesse. Der Versuch, die Entschlossenheit Deutschlands zur Beteiligung an dieser Mission zu schwächen, schwächt somit die Türkei. Das wird durch die jüngste SPD-Positionierung deutlich. Sie will den beim Nato-Gipfel auch im Interesse der Türkei getroffenen Entschluss zum Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen die Zustimmung im Bundestag verweigern, wenn bis dahin nicht sichergestellt ist, dass die Abgeordneten die Soldaten besuchen können.

Deshalb gilt in Sachen Besuchsverbot: Wer auf dem falschen Weg ist, braucht halt eine klarere Ansage. Und da ist ein Parlamentspräsident flexibler als eine Regierung. Ob man deshalb gleich die deutsch-türkische Parlamentariergruppe verlassen muss, wie es der CSU-Abgeordnete Reiner Meier aus Protest gegen das Besuchsverbot tat, steht auf einem anderen Blatt. Denn zur klaren Ansage gehört auch, nach Wegen zu suchen, die wieder zusammen führen. Und dazu bedarf es möglichst breit aufgestellter Kontaktgremien.

(may-)
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