"Noble Jump" Nato-"Speerspitze" trainiert in Polen den Ernstfall

Berlin · Das ist wohl die spektakulärste Demonstration militärischer Stärke der Nato seit Beginn der Ukraine-Krise: Die neue schnelle Eingreiftruppe zeigt unter prominenter Beobachtung, was sie kann. Das Säbelrasseln zwischen der Nato und Russland wird immer lauter.

"Noble Jump": Nato-Speerspitze trainiert für den Ernstfall
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Foto: dpa, nie fpt

Das Drehbuch für die Gefechtsübung kommt einem irgendwie bekannt vor. Eine dunkle Fantasiemacht namens Bothnia terrorisiert die Region um den Präsidentenhügel. Der bothnische Anführer "Birdman" kommandiert irreguläre Truppen in der Gegend. Auf seiner Seite kämpfen außerdem lokale pro-bothnische Milizen.

Die neue schnelle Eingreiftruppe der Nato - auch "Speerspitze" genannt - erhält den Auftrag, die Kommandozentrale von "Birdman" mit Spezialkräften anzugreifen. Es folgen Kämpfe, in die vier Kampfflugzeuge, etwa 50 Panzer und ein Dutzend Helikopter der Nato involviert sind.

Bothnia hat natürlich offiziell nichts mit Russland zu tun. Trotzdem geht es bei der ersten großen Übung der Nato-"Speerspitze" auf einem Schießplatz im westpolnischen Sagan um genau das, was Russland in der Ukraine vorgeworfen wird: Krieg mit Soldaten ohne Hoheitsabzeichen, die besser als "grüne Männchen" bekannt sind. Im Militärjargon spricht man von "hybrider Kriegsführung".

"Die große Show" vor hohen Politikern

Auf dem Schießplatz in Sagan haben sie eine Tribüne aufgebaut, von der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die "Speerspitze" begutachtet. Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und drei weitere Ministerinnen und Minister sind unter den Zuschauern des Manövers, das von den Nato-Militärs einfach nur "die große Show" genannt wird.

Vor der Tribüne liegt eine riesige Sandfläche, auf der schon der Wehrmachts-General Erwin Rommel den Wüstenkrieg geübt haben soll. Zwei große Leinwände sind aufgebaut, damit die Prominenz auch das Geschehen in der Ferne genau verfolgen kann. Vor Beginn des Manövers werden Ohrstöpsel verteilt. Die Schüsse der "Leopard2"-Kampfpanzer lassen die Zuschauerränge am stärksten erzittern.

Vor einem der "Leos" stellen sich Stoltenberg und die Minister nach der 90-minütigen Militärshow zum sogenannten Familienfoto auf. Von der Leyen meidet Bilder mit schweren Waffen eigentlich. An diesem Tag hat sie keine Berührungsängste.

Die CDU-Politikerin hatte zu Beginn der Ukraine-Krise als eine der ersten Nato-Spitzenpolitiker eine stärkere Präsenz in den östlichen Mitgliedstaaten gefordert. Vor allem Polen und die baltischen Länder fühlen sich seit der Annexion der Krim von Russland bedroht. Inzwischen ist die Präsenz angesichts zahlreicher Übungen unübersehbar. Allein im Juni sind 14.000 Nato-Soldaten an vier Übungen im östlichen Bündnisgebiet beteiligt.

Die Übung in Sagan ist die bisher spektakulärste Demonstration der Nato-Kampfkraft seit Beginn der Spannungen mit Russland. Die "Speerspitze" wurde als wichtigste Reaktion des transatlantischen Bündnisses auf den Ukraine-Konflikt gebildet. Sie soll den Eingriff in Krisen innerhalb von zwei bis fünf Tagen ermöglichen. Bei der Übung "Noble Jump" (Prächtiger Sprung) wurden 2100 Soldaten und 440 Fahrzeuge innerhalb von vier Tagen nach Polen verlegt - per Bahn, Flugzeug oder auf der Straße.

Auf permanente Truppenstationierungen hat die Nato bisher verzichtet - um keinen Streit über eine mögliche Verletzung der Nato-Russland-Akte von 1997 zu provozieren. Die USA wollen jetzt aber schweres Militärgerät für 5000 Soldaten nach Osteuropa schaffen. Kurz nachdem das bekannt wurde, kündigte der russische Präsident Wladimir Putin die Aufstockung seines Atomraketen-Arsenals an. An Zufall glaubt da keiner, das Säbelrasseln wird lauter.

Unterstützung für ihren Kurs bekamen die Amerikaner in Sagan dennoch von allen Seiten. Stoltenberg begründet das so: "Die Nato wird sich weiter um Dialog und Kooperation bemühen, aber das kann nicht auf Schwäche basieren." Und von der Leyen verweist auf die deutsche Geschichte: "Wir haben viele, viele Jahre in 60 Jahren Nato davon profitiert, dass die Amerikaner uns in Deutschland auch geschützt haben."

(dpa)
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