Ukraine-Krise Putin nennt Kiews Armee "Fremdenlegion der Nato"

Moskau · Russlands Staatschef Wladimir Putin hat die ukrainische Armee als verlängerten Arm der Nato bezeichnet. Das Militär des Nachbarlands sei "keine Armee, sondern eine Fremdenlegion, in diesem Fall die Fremdenlegion der Nato", sagte Putin am Montag in St. Petersburg.

 Wladimir Putin spricht in Moskau vor Studenten über die politische Lage in der Ukraine.

Wladimir Putin spricht in Moskau vor Studenten über die politische Lage in der Ukraine.

Foto: afp, pav/nb

Die ukrainischen Streitkräfte dienten "natürlich nicht den nationalen Interessen der Ukraine". Ziel der Nato sei es, "Russland in Schach zu halten". Dies wiederum diene "nicht den nationalen Interessen des ukrainischen Volkes".

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat mit klaren Worten die Aussagen von Putin zurückgewiesen. Es sei unsinnig, von einer Nato-Legion in der Ukraine zu sprechen, betonte Stoltenberg nach einem Botschafter-Treffen am Montag in Brüssel. "Die Aussage, dass es eine Nato-Legion in der Ukraine gibt, ist Unsinn." Es gebe dort keine Nato-Kräfte: "Die ausländischen Streitkräfte in der Ukraine sind russisch."

Angriff auf Mariupol

Unterdessen gibt sich Sergej Lawrow empört. Eine "Erpressung" sei die Drohung mit neuen Sanktionen nach dem verheerenden Granateneinschlag in der südostukrainischen Stadt Mariupol mit mindestens 30 Toten, wettert der russische Außenminister. Moskau werde sich "niemals in dieses Joch zwingen" lassen.

Aber nicht nur zwischen dem Westen und Russland nehmen die Spannungen zu. Mit dem Tod Dutzender Zivilisten im ostukrainischen Kriegsgebiet sind auch die Chancen für rasche neue Friedensverhandlungen zwischen der Führung in Kiew und den moskautreuen Separatisten geschrumpft. Zwar dringt Präsident Petro Poroschenko öffentlich auf neue Gespräche. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Längst gibt es Rufe aus der zweiten Reihe, das Kriegsrecht zu verhängen - eine Eskalation der Gewalt und der mögliche Staatsbankrott wären wohl die Folge.

Zwei Tage nach dem Raketenangriff, der die Menschen in einem Vorort von Mariupol völlig unerwartet traf, sind die Brandspuren an Schule, Geschäft und Wohnungen noch gut sichtbar. Wütend schwört ein Einwohner Rache. "Putin, du bist so gut wie tot", ruft er in die Mikrofone des ukrainischen Internetsenders Hromadske.tv. Für ihn ist klar: Die Verantwortung liegt beim Präsidenten des nur 40 Kilometer entfernten Nachbarlandes.

Die prowestliche Führung in Kiew schreibt die neue Gewalteskalation den Separatisten zu und verweist auf Analysen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) - obwohl OSZE-Beobachter eine klare Schuldzuweisung vermeiden. Vor dem Angriff auf Mariupol hatten die Aufständischen den Beginn einer Offensive erklärt, um ihr Territorium bis an die Gebietsgrenzen von Lugansk und Donezk zu erweitern. Als Reaktion fordert etwa Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko mit Nachdruck Präsident Poroschenko auf, das Kriegsrecht zu verhängen. Jedoch zögert dieser weiter.

Seit Monaten ist dieser Schritt in Kiew im Gespräch. Doch wäre es eine radikale Maßnahme, die unweigerlich neues Blutvergießen nach sich ziehen würde. Zwar sei ein solcher Beschluss bereits vorbereitet und liege sicher in einem Umschlag im Safe. Doch die Zeit dafür sei noch nicht gekommen, meint der Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungsausschusses, Sergej Paschinski. Militärisch brächte das Kriegsrecht kaum Fortschritte, und finanziell hätte es für den klammen Staat fatale Folgen, sagt er. "Der Internationale Währungsfonds würde einem Land im Krieg kein Geld geben", erklärt er.

Kiew braucht Geld

Geld braucht Kiew aber dringend, denn die Ex-Sowjetrepublik steht finanziell am Abgrund. Seit Monaten verhandelt die Führung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die nächste Zahlung aus einem 17-Milliarden-Dollar-Hilfspaket. Und der Bürgerkrieg in der Ostukraine könnte den Staatshaushalt zusätzlich explodieren lassen.

So setzt Kiew offiziell weiter auf Verhandlungen. Neuen Gesprächen hat Separatistenführer Alexander Sachartschenko jedoch vorerst eine Absage erteilt. Der russische Experte Fjodor Lukjanow räumt Verhandlungen daher keine großen Chancen ein. "Die Verschärfung der Lage im Donbass hängt damit zusammen, dass sich das Minsker Format selbst erschöpft hat", sagt der Politologe der Zeitung "Kommersant". Er meint, dass die Separatisten bis zu einer möglichen neuen Feuerpause soviel Gebietsgewinne wie möglich erzielen wollen.

Der Kiewer Politikwissenschaftler Wadim Karassjow stimmt dem teilweise zu. "Mit der Offensive der "Volksrepubliken" möchte Putin die Ukraine und den Westen zwingen, schneller eine Entscheidung zu treffen", sagt er der Zeitung "Westi". An einer diplomatischen Lösung sei mittlerweile nur noch der Westen wirklich interessiert.

(AFP)
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