Debatte über IS auf Sicherheitskonferenz Das Kalifat ist tot - die Bedrohung lebt weiter

München · Über Jahre widmeten sich die Experten auf der Münchner Sicherheitskonferenz der Frage, wie das Kalifat der Terrororganisation Islamischer Staat besiegt werden kann. Das ist nun (fast) gelungen - aber die Welt ist nicht sicherer geworden.

 Irakische Spezialkräfte im Einsatz gegen den IS (Symbolfoto).

Irakische Spezialkräfte im Einsatz gegen den IS (Symbolfoto).

Foto: AFP/Haidar Hamdani

"Im Namen Allahs", sagt Haider Al-Abadi am Abend auf der Bühne des Bayerischen Hofes, und liefert dann eine Erfolgsstory. Der irakische Außenminister berichtet davon, wie ein Drittel seines Staates vom Kalifat befreit, wie der IS besiegt und die Anführer getötet worden seien. Aber die Story ist nicht zu Ende. Al Al-Abadi beginnt aufzulisten, was noch alles zu tun ist. So spricht er davon, wirtschaftliche Netzwerke zu knüpfen und zu verhindern, dass Jugendliche nicht mehr für den Dschihad rekrutiert werden.

Wie passt das zusammen? Kalifat vernichtet, aber der Dschihad geht weiter? Pakistans Generalstabschef Qamar Javed Bajwa warnt vor dem Begriff, kann mit dem Konzept des heiligen Krieges auch innerhalb des Islam etwas anfangen und meint, was der IS daraus gemacht habe, sei einfach nur Terrorismus. Die Wahrnehmung Pakistans in Zeiten der Flüchtlingsdynamik ähnelt derjenigen in Deutschland. Es seien viele Flüchtlinge gekommen. Diese müssten nach Afghanistan zurück. Und als erstes gehe es jetzt um Grenzsicherung: Pakistan habe damit begonnen, einen 2300 Kilometer langen Grenzzaun zu bauen.

 Pakistans Generalstabschef Qamar Javed Bajwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Pakistans Generalstabschef Qamar Javed Bajwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Foto: AFP/Thomas Kienzle

In diesen Kategorien denkt auch Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière. Im Kampf gegen den Terror habe die EU in den letzten zwei Jahren mehr getan als in den letzten zwei Jahrzehnten. Aber es müsse weiter gehen. Ziel sei nun, jeden zu registrieren, der nach Europa komme, und jeden, der die Union wieder verlasse. Ein ambitioniertes IT-Projekt sei das, und die EU brauche wohl noch zwei bis drei Jahre, bis es funktioniere.

Was macht das Ende des Kalifates mit Deutschland? Die Attraktivität des Islamischen Staates habe mit den militärischen Erfolgen des Kalifates zugenommen, erläutert de Maizière. Die Sicherheitsbehörden hätten viel Mühe gehabt, eine Gegenerzählung zu verbreiten. Und nun? Kalifat besiegt, alles wieder in Ordnung? "Leider ist das nicht der Fall", räumt der Innenminister ein. Er sieht, dass noch nicht sehr viele Kämpfer zurückgekehrt sind. Er sieht auch, dass nach den koordinierten Anschlägen im März 2016 nur noch Terrorakte in primitiverer Ausführung geschahen. Aber zugleich vermutet er, "dass weiter auch komplexe Anschläge vorbereitet werden".

 Auch Innenminister Thomas de Maizière sprach in München.

Auch Innenminister Thomas de Maizière sprach in München.

Foto: Andreas Gebert/dpa

Dan Coats unterstreicht das aus amerikanischer Sicht und nach genauer Kenntnis der Region. Der US-Geheimdienstdirektor spricht von einem "Grund zur Sorge". Es gebe die Versuche des IS, sich in Libyen neu aufzustellen, es gebe andere islamistische Terrororganisationen, die die Niederlage des Kalifats als Chance nutzen wollten, selbst eine größere Rolle zu spielen. Schließlich handele es sich beim islamistischen Terror um eine "Mischung aus Ideologie und Theologie - das währt länger als eine militärische Auseinandersetzung", sagt Coats.

Die sozialen Spannungen bestünden fort, und damit auch die Anfälligkeit der Menschen für islamistischen Terror, erklärt EU-Sicherheitskommissar Sir Julian King. De Maizière erkennt nachhaltige Probleme bereits im Sprachgebrauch. Schon die Bezeichnung Islamischer Staat bedeute, diese "Mörderbande" als Staatlichkeit zu akzeptieren. Ein weiteres Problem sieht er in den unterschiedlichen Datenschutz-Standards. Ägypten und Tunesien beklagten sich etwa, nicht genügend Informationen über Terrorgefahren zu erhalten. Den deutschen Behörden seien aber unter Hinweis auf diese Standards die Hände gebunden. Er fürchte, dass die Vorenthaltung von Daten die Sicherheit nicht erhöhe. "Die Welt ist nicht schwarz und weiß, sie ist grau, da müssen wir einen Weg finden." Der bleibt aber auch in München offen.

Die Münchner Sicherheitskonferenz dauert noch bis Sonntag. Das Treffen hat dabei auch innenpolitische Brisanz. So sprach am Samstag auch Noch-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und machte deutlich, dass er trotz Parteiquerelen zu seinem Amt steht. Schwerpunkte der Konferenz sind unter anderem die Zukunft und Handlungsfähigkeit der EU, die Beziehungen zwischen Russland und den USA sowie die zahlreichen Konflikte in Nahost - insbesondere der Bürgerkrieg in Syrien - sowie Abrüstungsfragen.

(may-)
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