Ermordete Politikerin Jo Cox Großbritannien rätselt über das Warum

London · Nach dem Mord an der 41-jährigen Labour-Politikerin Jo Cox steht Großbritannien unter Schock. Cox galt als engagiert und selbstlos, setzte sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ein. Könnte hier ein Motiv für die Tat liegen?

Jo Cox - Labour-Abgeordnete mit wohltätiger Ader
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Das Verbrechen fällt mitten in den Endspurt der Brexit-Debatte. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Umfeld der Tat.

Die Polizei hat am Tatort einen 52 Jahre alten Mann festgenommen. Es werde nicht nach weiteren Verdächtigen gesucht, hieß es - die Polizei ist sich sicher, den richtigen zu haben. Nachbarn in der Reihenhaussiedlung beschrieben den Mann als unauffälligen Einzelgänger. Er soll seit Jugendtagen im selben Haus wohnen. Er soll keinen Job haben, hin und wieder aber Gartenarbeiten für Nachbarn erledigt haben. "Ein Mann von wenig Worten", sagte ein Nachbar der BBC. Die Polizei untersucht mögliche Verbindungen zur rechtsradikalen Szene wie auch mögliche psychische Probleme.

Das ist noch unklar. Britische Medien berichteten, der Mann soll bei seiner Festnahme die Worte "Britain First" gerufen haben. Dies ist aber von der Polizei nicht bestätigt. Sollte es sich bewahrheiten, könnte es in Richtung einer politischen Motivation deuten. "Britain First" ist der Name eine rechtsradikalen Partei in Großbritannien. Es könnte aber auch in Bezug auf Cox' Engagement für Flüchtlinge oder sogar in Richtung Brexit-Debatte gemeint gewesen sein. Dies sind bisher alles Spekulationen, die Untersuchungen der Polizei sind erst am Anfang.

Die 41-jährige Mutter von zwei Kindern galt als besonders engagierte und selbstlose Abgeordnete. Sie hat früher für Hilfsorganisationen gearbeitet. Cox setzte sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien ein. Sie machte Front gegen den Einsatz von Kindersoldaten und für die Landbevölkerung in Afghanistan. Jo Cox war aber auch eine entschiedene Kritikerin der herkunftsorientierten britischen Klassengesellschaft. BBC-Politikchefin Laura Kuenssberg sagte über Cox: "Wenn man sie traf, hat das einem den Tag besser gemacht."

Sowohl das "Remain"-Lager, das den Verbleib Großbritanniens in der EU favorisiert, als auch die Brexit-Befürworter haben ihren Wahlkampf vorerst ausgesetzt. Premierminister David Cameron sagte eine Kundgebung in Gibraltar ab. Für wie lange dies gilt, ist unklar. Zunächst wurden keine Stimmen laut, die eine Absetzung oder Verschiebung des Referendums forderten.

Auch das ist noch völlig unklar. Tatsache ist, dass die Debatte zuletzt extrem aufgeheizt war und höchst emotional geführt wurde. Im Angesicht des schrecklichen Verbrechens dürften zumindest Einige wieder mehr Vernunftargumente in den Vordergrund stellen und einsehen, dass Fanatismus im gesellschaflichen Diskurs fehl am Platze ist.

Der letzte Mord an einem Unterhaus-Abgeordneten liegt 26 Jahre zurück. Damals wurde der konservative Ian Gow von nordirischen Terroristen getötet. Aber: Das Innenministerium hatte erst im Januar einen Studie veröffentlicht, wonach Parlamentarier häufig Opfer von Angriffen werden. Vier von fünf hätten bereits Erfahrungen mit gewaltätigen oder zumindest belästigenden Angriffen oder Bedrohungen gemacht, jeder fünfte sei bereits tätlich angegriffen worden. 36 Abgeordnete hätten sogar angeben, Angst zu haben, wenn sie sich öffentlich zeigen.

(jco/dpa)
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