Türkei-Niederlande-Streit eskaliert Cavusoglu nennt Niederlande "Hauptstadt des Faschismus"

Den Haag/Istanbul/Metz · Die Beziehungen zwischen den Nato-Verbündeten Niederlande und Türkei sind am Wochenende auf einen beispiellosen Tiefpunkt abgestürzt. Den letzten Punkt in der Spirale der verbalen Entgleisungen setzte der türkische Außenminister am Mittag in Frankreich.

Mevlüt Cavusoglu spricht in Metz vor 800 Türken.

Mevlüt Cavusoglu spricht in Metz vor 800 Türken.

Foto: rtr, VK/FL

Dort bezeichnete Mevlüt Cavusoglu bei einem Besuch in Metz die Niederlande als "Hauptstadt des Faschismus". Am Sonntagnachmittag sprach der Politiker vor rund 800 Teilnehmern. Ankara werde sich mit einer Entschuldigung der Niederlande nicht zufriedengeben, die Vorgänge des Wochenendes würden noch Folgen haben, wetterte Cavusoglu weiter. Dem niederländischen Premierminister Mark Rutte warf er Arroganz vor. Cavusgolu warf der Regierung in Den Haag zudem vor, mit dem Verhindern des Auftritts der Familienministerin Wahlkampf zu betreiben.

Die Regierung in Paris hatte die Veranstaltung im Namen der Versammlungsfreiheit genehmigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dankte Paris dafür, die Einreise des Außenministers genehmigt zu haben. "Frankreich ist nicht in die Falle getappt", sagte der türkische Präsident. Allerdings fordert Erdogan Sanktionen internationaler Organisationen gegen die Niederlande. Er wirft dem Land zudem vor, sich wie eine Bananenrepublik zu verhalten.

Auch die türkische Regierung hatte die Auftrittsverbote ihrer Minister in Rotterdam als "faschistisches Handeln" bezeichnet, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wies die von Erdogan lancierten Vergleich mit "Nazi-Überbleibseln" jedoch als "verrückte Bemerkung" zurück. Später bemühte er sich um Deeskalation.

"Wir werden deeskalieren, wo wir können", sagte Rutte am Sonntag. "Falls die Türken sich entscheiden, zu eskalieren, werden wir reagieren müssen. Aber wir werden alles dafür tun, zu deeskalieren." Er sagte aber auch, dass der türkische Außenminister und danach die aus Deutschland mit dem Auto anreisende Familienministerin an Reden zum türkischen Verfassungsreferendum gehindert werden mussten, weil die Türkei schon vorab mit Sanktionen gedroht habe.

"Die Türkei ist eine stolze Nation; die Niederlande sind eine stolze Nation. Wir können niemals unter dieser Art Drohungen und Erpressung miteinander arbeiten", sagte Rutte. Das Problem bestehe vor allem darin, dass Ankara alle Menschen mit türkischem Hintergrund in den Niederlanden allesamt als türkische Staatsbürger betrachte. "Das sind niederländische Bürger, die möglicherweise auch in der Türkei stimmberechtigt sind", sagte der Ministerpräsident.

Die türkische Führung um Präsident Erdogan reagierte empört und blieb seiner umstrittenen Rhetorik der vergangenen Tage treu. Er habe der niederländischen Regierung zurecht Nazismus und Faschismus vorgeworfen, sagte Erdogan am Sonntag in einer Fernsehansprache. Nur diese Arten von "Regimen" verbiete es ausländischen Ministern, in ihr Land zu reisen. Die Niederlande würden den Preis dafür bezahlen, ihre Beziehungen zu einem Nato-Partner wegen der anstehenden Wahl aufzugeben.

Der Eklat trifft die Niederlande wenige Tage vor der am Mittwoch stattfindenden Parlamentswahl, bei der sich Rutte vor allem gegen den islamfeindlichen Rechtspopulisten Geert Wilders behaupten muss. Die Türkei hatte bislang vor allem Deutschland angegangen, das mehrere Wahlkampfauftritte türkischer Minister abgesagt hatte.

Die niederländische Regierung hatte Cavusoglu am Samstag kurzfristig die Landeerlaubnis für einen Besuch in Rotterdam entzogen. Im Anschluss wurde auch der per Auto aus Deutschland anreisenden Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya verwehrt, vor Landsleuten für das Verfassungsreferendum am 16. April zu werben. Dabei geht es um ein Präsidialsystem, das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde.

Zusammenstöße zwischen Polizei und Türken in Rotterdam

Vor dem Rotterdamer Konsulat der Türkei kam es zu Zusammenstößen zwischen mehreren hundert protürkischen Demonstranten und der Polizei. Es gab zwölf Festnahmen, sieben Menschen wurden verletzt. Unter anderem brach sich ein Polizist die Hand.

Als Reaktion auf die Auftrittsverweigerung gegen Cavusoglu wurden bereits die niederländische Botschaft in Ankara und das Konsulat in Istanbul abgesperrt. Am Sonntag kletterte ein Mann auf das Dach der niederländischen Vertretung in Istanbul und ersetzte dort die niederländische Flagge durch eine türkische. Fernsehbilder zeigten, wie er auf dem Dach stand und "Allahu Akbar" rief, arabisch für "Gott ist groß".

Der nächste Eklat könnte schon vor der Tür stehen: Am Sonntag sprach sich die dänische Regierung für die Verschiebung eines noch im März geplanten Besuchs des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim aus. Als Grund führt Ministerpräsident Lars Lokke den Streit zwischen der Türkei und den Niederlanden an.

"Unter normalen Umständen wäre es ein Vergnügen, den türkischen Ministerpräsidenten Yildirim zu begrüßen", teilte Løkke Rasmussens Büro in einer Pressemitteilung mit. "Aber nach dem jüngsten Angriff der Türkei auf Holland kann das Treffen nicht unabhängig davon gesehen werden." Deshalb habe er seinem türkischen Kollegen vorgeschlagen, ihr Treffen zu vertagen.

Yildirim wollte Medienangaben zufolge am 19. und 20. März neben offiziellen Terminen auch an Versammlungen türkischer Bürger in Dänemark teilnehmen. Die dänische Regierung sehe die Entwicklungen in der Türkei mit großer Besorgnis, hieß es weiter in der Mitteilung. Ein Treffen mit Yildirim könne als Zeichen interpretiert werden, dass Dänemark die Entwicklungen in der Türkei milder betrachte, und das sei nicht der Fall.

(felt/REU/dpa/AFP/ap)
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