Rede vor der Afrikanischen Union Merkel kündigt Afrika-Konferenz in Berlin an

Addis Abeba · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die afrikanischen Staaten bei einer Rede vor der Afrikanischen Union dazu aufgerufen, ihre Interessen "in möglichst großer Einigkeit" zu vertreten.

 Kanzlerin Angela Merkel mit dem äthiopischen Premierminister Hailemariam Desalegn.

Kanzlerin Angela Merkel mit dem äthiopischen Premierminister Hailemariam Desalegn.

Foto: dpa, mkx fdt

"Eigene Konfliktlösung hat mehr Chancen auf Erfolg", sagte die Kanzlerin. Merkel sieht zugleich die Nordhalbkugel in der Pflicht, den Afrikanern ihre Entscheidungen selbst zu überlassen.

Sie nannte Libyen, das nach dem Bombardement durch die internationale Gemeinschaft staatlich zerfallen und zum Unruheherd für den gesamten Kontinent geworden ist, als Beispiel dafür, dass man erst Afrika fragen solle, bevor in Afrika eingegriffen wird. "Vielleicht haben wir in der Vergangenheit zu wenig mit Ihnen darüber gesprochen", sagte Merkel. "Das sage ich ganz selbstkritisch."

Anlass des Besuchs in Äthiopien war die Eröffnung eines von den Deutschen errichteten Gebäudes der Afrikanischen Union für Frieden und Sicherheit. Bei ihrer Rede in dem neuen Gebäude kündigte Merkel an, ihr Engagement für Afrika, auch im Rahmen der deutschen G-20-Präsidentschaft im kommenden Jahr fortzusetzen.

Sie betonte erneut, dass das Wohl Afrikas im Interesse Deutschlands liege. Mitte des Jahres soll dazu eine Afrika-Konferenz in Berlin stattfinden. Dafür sollen afrikanische Staaten, internationale Organisationen und der private Sektor zusammenkommen.

Die Bundesregierung will zudem deutschen Unternehmen Investitionen in Afrika erleichtern und sie so konkurrenzfähig gegenüber den Chinesen machen. Die chinesischen Investoren verfügen in der Regel über staatliche Finanzkonzpete, wenn sie Projekte in Afrika planen. Die Investitionsbedingungen für Unternehmen in Afrika solle auch ein Hauptthema bei G20 sein, sagte die Kanzlerin.

In Äthiopien war Merkel im Ausnahmezustand gelandet — am Sonntag durch Premierminister Hailemariam Desalegn verhängt. In der Hauptstadt war die angespannte Lage nur dadurch zu spüren, dass mobil keine E-Mails und SMS-Nachrichten übertragen werden können. Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sind gar nicht zu erreichen.

Seit August gibt es in zwei großen Regionen, die fast zwei Drittel der Bevölkerung umfassen, Protest gegen die Regierung. Ein wachsender Teil der Menschen sieht sich strukturell benachteiligt gegenüber der Ethnie der Tigray, die das Land wirtschaftlich und politisch dominieren. Dabei stellen sie nur sechs Prozent der Bevölkerung.

Merkel mahnte nach einem Gespräch mit dem äthiopischen Premier, dass eine lebendige Zivilgesellschaft zu einer sich entwickelnden Gesellschaft gehöre. Sie bot Äthiopien einen Austausch mit dem deutschen Innenministerium an, wie die Polizei so ausgebildet werden kann, dass die Verhälnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden könne.

Auch im November 2015 hatte es schon ähnliche Unruhen in Äthiopien gegeben. Die Proteste, die meist gewaltsam niedergeschlagen wurden, richten sich dagegen, dass ausländische Investoren, lokale Machthaber und die Stammesangehörigen der Tigray ihre Interessen rücksichtslos gegen die Bevölkerung durchsetzen.

Auch Journalisten sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und der Oppositionsparteien sind von Repressalien betroffen. Die Wut der Bevölkerung überträgt sich mittlerweile auch auf die Entwicklungshilfeprojekte im Land.

Premier Hailemariam ging mit den Vorwürfen gegen ihn überraschend offen um. Die Ursache der Konflikte sieht er zuerst in der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Land und in kleinen radikalen Gruppen, die die Wut schürten.

Dass seine Sicherheitskräfte hart gegen die Oppositionellen vorgegangen sind, leugnete er nicht. Er kündigte eine Verfassungsreform an, die der Opposition mehr Stimme geben soll. Derzeit ist im äthiopischen Parlament aufgrund des Wahlsystems keine Opposition vertreten. Das will er nun ändern.

Bislang galt Äthiopien als Hort der Stabilität im Osten Afrikas. Den Äthiopiern, die im Unterschied zu vielen anderen afrikanischen Ländern als gut organisiert gelten, ist mitunter nachgesagt worden, sie seien die Preußen Afrikas. Für die EU ist Äthiopien dennoch ein Hoffnungsträger.

Erst im Juni unterzeichnete Hailemariam eine EU-Äthiopien-Strategie mit den Zielen bei etlichen Themen voranzukommen: Frieden und Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, Migration, Handel, Investitionen, Menschrechte, Regierungsführung und Klimawandel.

Zwischen 2015 und 2020 soll Äthiopien insgesamt zwei Milliarden Euro an Entwicklungshilfe von der EU erhalten. Mehr als zehn Millionen Menschen sind in Folge von Naturkatastrophen und aufgrund von Flucht in Äthiopien auf Nahrungsmittel angewiesen. Mehr als zwei Millionen gelten als unterernährt.

Abenteuerreise durch Äthiopien
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In der Flüchtlingskrise spielt Äthiopien aus europäischer Sicht keine große Rolle. Die Zahl der Äthiopier, die nach Europa fliehen ist bislang gering. Äthiopien selbst, das 92 Millionen Einwohner hat, beherbergt 780.000 Flüchtlinge aus den afrikanischen Nachbarländern.

(qua)
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