Massenschlägerei in Mazedonien Demonstranten stürmen Parlament in Skopje

Skopje · Die politische Krise in Mazedonien hat zu einem Gewaltausbruch im Parlament geführt. Mindestens zehn Menschen wurden verletzt, als in der Nacht zu Freitag nationalistische Demonstranten die Volksvertretung in der Hauptstadt Skopje stürmten.

Rund hundert teils maskierte Demonstranten drangen in der Nacht in das Parlamentsgebäude ein, schwenkten mazedonische Flaggen und sangen die Nationalhymne. Videobilder zeigten umgeworfene Stühle und den sozialdemokratischen Oppositionsführer Zoran Zaev mit blutverschmiertem Gesicht in einer aufgebrachten Menschenmenge. Medienberichten zufolge soll der Innenminister Mazedoniens, Agim Nuhiu, gesagt haben, es seien zehn Abgeordnete sowie einige Polizisten und Journalisten verletzt worden.

Die Demonstranten protestierten gegen den Plan Zaevs, sich mithilfe einer Partei der albanischen Minderheit zum Regierungschef wählen zu lassen. Sie sehen darin eine Gefahr für die Einheit und Souveränität Mazedoniens. Für besonderen Ärger bei den Demonstranten sorgte der Versuch von Zaev und seinen Verbündeten, den albanisch-mazedonischen Politiker Talat Xhaferi zum Parlamentspräsidenten wählen zu lassen.

Mehrere Stunden nach dem Sturm auf die Volksvertretung übernahm die Polizei wieder die Kontrolle über das Gebäude. Etwa 2000 bis 3000 Demonstranten versammelten sich weiterhin vor dem Parlament. Präsident Gjorge Ivanov wandte sich in einer Fernsehansprache an seine Landsleute und rief zur Beruhigung der Proteste und zur Gewaltlosigkeit auf. Für Freitag lud er die Parteichefs zu Beratungen über die Lage in sein Büro ein. "Niemand aus dem Ausland kann unsere Probleme lösen", sagte Ivanov.

Mazedonien: Nationalistische Demonstranten stürmen Parlament
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Nationalistische Demonstranten stürmen Parlament

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Foto: afp, ra/

Mazedonien wird seit 2015 von einer politischen Krise gelähmt. Auch Parlamentswahlen im Dezember hatten keinen Ausweg gebracht. Präsident Ivanov weigert sich seitdem, Zaev ein Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen, obwohl dieser mit den albanischen Abgeordneten eine Mehrheit im Parlament hätte. Ivanov wirft Zaev vor, "Mazedoniens Souveränität zu untergraben".

Die langjährige konservative Regierungspartei VMRO-DPMNE, die zwar mit zwei Sitzen mehr als Zaevs SDSM aus der Wahl hervorgegangen war, hatte keine Koalition zustande bekommen. Die EU bemüht sich bislang erfolglos um eine Beilegung des Konflikts. 20 bis 25 Prozent der rund 2,1 Millionen Einwohner Mazedoniens gehören der albanischen Minderheit in dem Balkanland an.

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kritisierte die Erstürmung des Parlaments. Beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er: "Gewalt hat keinen Platz im Parlament. Die Demokratie muss ihren Lauf nehmen." Auch das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Angriff auf das Parlament "auf das Schärfste" und riet Reisenden, die Innenstadt von Skopje und öffentliche Plätze in der Hauptstadt vorerst zu meiden.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die aktuelle Lage in dem EU-Beitrittskandidatenland als unvereinbar mit europäischen Erwartungen. "Dort muss jetzt endlich eine Regierung gebildet werden. Es gab demokratische Wahlen", sagte der SPD-Politiker am Freitag bei einem EU-Treffen auf Malta. "Dass die bisherige Regierungspartei das verweigert, dass ihre Anhänger das Parlament stürmen, Abgeordnete schlagen, ist absolut nicht akzeptabel."

Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Was sich ereignet habe, sei besorgniserregend und traurig, kommentierte die Italienerin. Alle Beteiligten müssten nun versuchen, das Land aus der "ernsten Krise" zu bringen. Diese könne ansonsten gefährlich werden.

(kess/AFP/dpa)
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