Mali Der nächste Bundeswehr-Kampfeinsatz

Düsseldorf · Die Niederlande haben Deutschland um militärische Unterstützung in Afrika gebeten. Die politischen Weichen werden gerade gestellt.

 Ein deutscher Pionier unterrichtet einen Malier in der Minensuche: Mit einer Nadel wird vorsichtig nach Sprengkörpern getastet, der gesicherte Bereich markiert.

Ein deutscher Pionier unterrichtet einen Malier in der Minensuche: Mit einer Nadel wird vorsichtig nach Sprengkörpern getastet, der gesicherte Bereich markiert.

Foto: DPA

Die grundsätzliche Marschrichtung steht fest, die Details sind noch offen: Die Bundeswehr steht vor einem neuen Kampfeinsatz. Denn im Norden des westafrikanischen Binnenstaates Mali droht die Lage erneut fast außer Kontrolle zu geraten. Die Niederländer, die dort als Blauhelme unter UN-Mandat den brüchigen Frieden sichern, haben die Bundesregierung um militärische Unterstützung gebeten.

Die Weltöffentlichkeit wurde 2012 auf Mali aufmerksam, als die berühmte historische Oasen-Stadt Timbuktu am Rand der Sahara in die Hände islamistischer Terroristen gefallen war. Sie errichteten dort ein Schreckensregime und zerstörten Kulturstätten. Daraufhin griff die französische Armee energisch ein — Mali war bis 1960 eine Kolonie Frankreichs. Mit Unterstützung mehrerer afrikanischer Staaten eroberten die Franzosen in der Operation "Serval" in wenigen Wochen die größten Städte im Norden zurück.

Mehr als 10.000 Soldaten und Polizisten aus 50 Staaten, darunter Deutsche, versuchen seitdem, Mali zu stabilisieren — bislang vergeblich. In den vergangenen Tagen häuften sich wieder Überfälle, Geiselnahmen und Sprengstoffattentate. 56 Blauhelmsoldaten sind seit Beginn des Einsatzes vor zwei Jahren getötet worden; 270.000 Einwohner sind auf der Flucht, einige Tausend haben es über das Mittelmeer bereits bis nach Europa geschafft.

Es gibt zwei Militäroperationen in dem gefährdeten Wüstenstaat: "Minusma" ("United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali", zu deutsch: "streitkräfteübergreifende integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali") und "EUTM Mali" ("European Union Training Mission Mali" - "Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mali").

Das Land ist de facto seit einem Militärputsch zweigeteilt: Im unruhigen Norden versucht Minusma Ordnung zu schaffen, im ruhigeren Süden trainiert EUTM malische Soldaten. Die Bundeswehr hat, weitgehend unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit, bislang sechs malische Gefechtsverbände mit 4200 Soldaten erfolgreich ausgebildet, mit Brigadegeneral Franz Xaver Pfrengle soeben die Führung von EUTM übernommen und ihr dortiges Kontingent inzwischen von 150 auf 207 Soldaten ausgeweitet. Bei Minusma sind dagegen nur zehn Bundeswehrangehörige eingesetzt.

Das soll sich nun ändern: In dieser Woche haben erste Abstimmungsgespräche mit den Niederlanden stattgefunden; ein deutsches Erkundungsteam wird voraussichtlich in etwa vier Wochen nach Gao im Nordosten des westafrikanischen Staates fliegen, um den deutschen Beitrag auszuloten. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages wird sich ebenfalls Anfang September mit der Bitte der Niederländer befassen, sie im unruhigen Nordteil Malis militärisch zu unterstützen, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), unserer Redaktion. Zurzeit operieren von Gao aus rund 600 niederländische Soldaten mit "Apache"-Kampfhubschraubern und Transporthelikoptern. Mali ist flächenmäßig dreimal so groß wie Deutschland, aber besteht zu mehr als der Hälfte aus Wüste und hat mit 16 Millionen Menschen nur ein Fünftel der Einwohner der Bundesrepublik.

Hellmich hält es für denkbar, dass in dem riesigen Land vor allem die Aufklärungskapazitäten der Bundeswehr wie kamerabestückte Drohnen gefragt sind. Außerdem könnte anderen Quellen zufolge das Kommando Spezialkräfte in Calw eingesetzt werden. Denkbar ist ferner eine Unterstützung beim Lufttransport. Ein solches eigenständiges Kontingent müsste unter anderem auch ein Führungselement, Fernmelder, Logistiker, Sanitäter und zur Eigensicherung Infanterie umfassen.

Nach Informationen unserer Redaktion könnte die deutsche Blauhelm-Mission bis zu 350 Soldaten stark werden. Ein früherer Bundestagsbeschluss zu Minusma, der nie ausgeschöpft wurde, erlaubt aber nur eine Obergrenze von 150 Mann. Laut Hellmich muss deshalb ebenfalls darüber beraten werden, ob eine solche kleinere Truppe zur Unterstützung der Niederländer überhaupt ausreichend wäre.

"Weil dieser Einsatz im Zweifelsfall eine Mandatsausweitung erfordert, wird am Ende das Parlament darüber beschließen", betonte Hellmich. Vor allem die Gefährdung für Bundeswehrsoldaten in der Region müsse vorher geprüft werden. "Es gibt noch keinerlei Vorfestlegung."

Andererseits ist es in der großen Koalition längst Konsens, dass das Mali-Engagement ausgeweitet werden muss — auch die Grünen sind grundsätzlich dafür. Die weitere Stabilisierung des Landes liege im besonderen sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands, heißt es.

Die Lage in Mali ist durch rivalisierende islamische Terrorgruppen, Tuareg-Stämme und kriminelle Banden zwar unübersichtlich. Anfang Juni hatten aber die wichtigsten Akteure die "Deklaration von Algier" unterzeichnet — eine vage Hoffnung auf Einigung und Frieden.

(RP)
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