Referendum Luxemburger sagen Nein zu Reformen

Luxemburg · Bisher sah sich Luxemburgs Regierungschef Bettel als großer Erneuerer seines Landes. Nun hat er einen Dämpfer bekommen: Die Luxemburger wollen nicht, dass es zu viel Neues gibt. Sie sagen Nein zum Wahlrecht für Ausländer, Herabsetzung des Wahlalters und Begrenzung der Amtszeit von Ministern.

 Die Luxemburger haben ihrem Premierminister Xavier Bettel mit ihrem Nein zu Reformen einen Denkzettel verpasst.

Die Luxemburger haben ihrem Premierminister Xavier Bettel mit ihrem Nein zu Reformen einen Denkzettel verpasst.

Foto: dpa, rje ade

Die Luxemburger haben dreimal Nein gesagt. Und zwar so laut, dass es Premierminister Xavier Bettel (42) und seiner Regierungskoalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen noch länger in den Ohren klingen dürfte. 78 Prozent gegen das Wahlrecht von Ausländern auf nationaler Ebene, 81 Prozent gegen eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, 70 Prozent gegen eine Begrenzung des Mandats von Ministern auf zehn Jahre: Drei wichtige Vorschläge der Regierung für eine spätere Verfassungsreform wurden bei einem Referendum in gnadenloser Klarheit versenkt.

"Wir haben die Botschaft verstanden. Es ist ein klares Signal, das wir respektieren werden", sagte Bettel nach der politischen Ohrfeige. Einen Rücktritt, wie ihn ein führender Politiker der oppositionellen Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) flugs gefordert hatte, lehnte er ab. Dies sei kein Plebiszit über seine Amtsführung gewesen, "ob die Leute zufrieden sind mit mir oder nicht", sagte Bettel. Es sei darum gegangen, den Bürgern eine Möglichkeit zu geben, Politik mitzubestimmen.

Die wenigsten Ja-Stimmen bekam das Ausländerwahlrecht

Vor allem der Versuch, das kleine Großherzogtum zum ersten EU-Land zu machen, in dem Ausländer auch an den nationalen Parlamentswahlen teilnehmen dürfen, scheiterte. "Dass der Prozentsatz der Ja-Stimmen so niedrig sein würde, haben wir nicht erwartet", sagte eine enttäuschte Laura Zuccoli von der Plattform für Migration und Integration (MINTE). Bettel kündigte nach dem Referendum an, die Bemühungen um die "Integration nicht-luxemburgischer Einwohner" fortzusetzen - im Gespräch sind unter anderem neue Regeln für die Einbürgerung.

Tatsächlich befindet sich das nach Malta zweitkleinste Land der EU in einer besonderen Lage: 45 Prozent der rund 550.000 Einwohner sind Ausländer. In manchen Orten sind Luxemburger schon eine Minderheit.
In Larochette im Kanton Mersch zum Beispiel sind nur noch 32 Prozent der Einwohner Luxemburger: Dort lehnten 73 Prozent der Wähler das Ausländerwahlrecht ab.

In den kommenden Jahren drohe ein "Demokratiedefizit", begründete Bettel seinen Vorschlag, auch die seit mehr als zehn Jahren im Land lebenden Ausländer mitwählen zu lassen, sofern diese sich zuvor auch schon an einer Kommunal- oder Europawahl beteiligt haben.

"Wir wollen bleiben, was wir sind"

Bei der Ursachenforschung bemängelte die Tageszeitung "Luxemburger Wort" am Montag, es habe keine wirkliche Diskussion mit dem Bürger über das Ausländerwahlrecht gegeben. Zudem habe die Regierung den Eindruck erweckt, als sei das Referendum vor allem ein Mittel, um politischen Druck auf die Opposition auszuüben - ohne deren Stimmen eine für 2017 geplante neue Verfassung nicht möglich ist.

Bettel war Ende 2013 als Erneuerer in einem Land angetreten, dessen Regierung seit Kriegsende fast ununterbrochen von den Christsozialen gestellt worden war. Die Trennung von Kirche und Staat wurde schon vor dem Referendum beschlossen, die Ehe von Homosexuellen erlaubt. Vielleicht zu viel des Neuen? Die "Mitte der Gesellschaft", bei der "die Angst vor einem ungewohnten Wandel, vor Neuem und Unbekanntem überwiegt", habe gegen das Ausländerwahlrecht gestimmt, meinte das "Tageblatt". Die Probleme Luxemburgs löse das aber nicht.

Vorerst zumindest scheint das inoffizielle Staatsmotto weiter zu gelten, das überall in der Hauptstadt zu lesen und über dem Portal des Rathauses von Esch sur Alzette sogar in Stein gemeißelt ist: "Mir wölle bleiwe wat mir sin" - Wir wollen bleiben, was wir sind.

(dpa)
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