Louis Ortiz Der Obama aus der Bronx

Silver Spring · Louis Ortiz sieht dem US-Präsidenten ähnlich - so ähnlich, dass jetzt ein Film über ihn gedreht worden ist. Sein größter Trumpf: die Ohren.

  Obama-Doppelgänger Louis Ortiz (43) posiert vor dem Weißen Haus in Washington für Fotos.

Obama-Doppelgänger Louis Ortiz (43) posiert vor dem Weißen Haus in Washington für Fotos.

Foto: dpa

Wenn Louis Ortiz einen Saal betritt, schauen ihn die Leute an, als könne nicht wahr sein, was sie da gerade sehen. So wie jetzt in einem Kino in Silver Spring, einer Satellitenstadt Washingtons. "Mein Gott, unheimlich", ruft eine Frau, während andere ihre Handykameras zücken und wieder andere einfach nur dasitzen und staunen. Verrückt, diese Ähnlichkeit. Ortiz kennt das. Er lächelt, hebt das Kinn ein wenig und winkt, wie Politiker eben winken, sehr routiniert. Louis Ortiz ist das Double von Barack Obama.

Er trägt ein weißes Hemd, eine rote Krawatte und einen Anzug in Schwarz, am Revers die amerikanische Flagge als Anstecknadel. Er ist so schlank und fast so groß wie das Original. Seine Haut hat dieselbe Farbe wie die Obamas: Ortiz' Vorfahren stammen aus Puerto Rico. Die grauen Sprenkel im schwarzen Haar, auch das stimmt. Doch das Entscheidende, sagt der 43-Jährige, seien die großen, abstehenden Ohren. Ohne die Ohren wäre er wohl nie entdeckt worden damals.

Es ist das Jahr 2008. Amerika hofft, sich neu zu erfinden, und Obama tritt zum Siegeszug an, weil er verspricht, Brücken über politische Schluchten zu schlagen. In der Bronx hat Louis Ortiz einen vermeintlich sicheren Job verloren -nach 13 Jahren in Diensten des Telefonanbieters Verizon von heute auf morgen gefeuert. Seine Frau ist mit 29 an einer schweren Krankheit gestorben, er muss Reina, die fünfjährige Tochter, allein über die Runden bringen. In einer Kneipe spielt er Billard, um ein paar Dollar Preisgeld zu verdienen. Dort ruft ihm Pat, der Wirt, eines Tages in gespielter Begeisterung zu: "Hey, Kumpel, du hast es auf die Titelseite geschafft!"

"Es muss wohl das Große-Ohren-Ding sein"

Obama, anfangs nur Außenseiter im Duell gegen Hillary Clinton, sorgt für Schlagzeilen, und mit ihm wird Ortiz' Physiognomie zum Stammtischthema. "Ich begreife das nicht", wiegelt er ab, "es muss wohl das Große-Ohren-Ding sein." Ach was, erwidert der Wirt, er solle sich einfach den Schnurrbart abrasieren und in den Spiegel schauen.

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Genau das tut Ortiz, und als er zurückkehrt, raunen ihm die Billardkameraden zu, dass er Geld machen könne mit diesem Gesicht. Irgendwann beherzigt er den Rat, zumal es an Alternativen fehlt. Reina schickt er schweren Herzens zu den Großeltern nach Florida.

Ein Dokumentarfilmer, ein junger New Yorker namens Ryan Murdock, hat das alles aufgezeichnet. Der Protagonist selber reist von Kinofestival zu Kinofestival, um den Streifen ("Bronx Obama") zu promoten. Er spielt seine Rolle perfekt, geduldig wie ein Profi. Wie er sich eine halbe Stunde ins Foyer stellt, damit sich die Leute ablichten lassen können mit ihm, erinnert an Wahlkämpfe.

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Läuft Ortiz über eine Bühne, die linke Hand in der Hosentasche vergraben, lässt es an die lässige Art Obamas denken. Nicht nur dessen Gesten hat er sich angeeignet, er hat auch mühsam gelernt, genauso zu sprechen, ohne den Dialekt der Bronx und mit exakt der gleichen Satzmelodie: "Du kannst werden, was immer du willst. Willst du Astronaut werden, dann kannst du es schaffen." - "Willst du ein Idiot werden", fügt er grinsend hinzu, "wird dir auch das gelingen."

Die Ära Obama, für Louis Ortiz ist sie auch eine Geschichte der Ernüchterung. Die Entzauberung des Hoffnungsträgers hat er sehr direkt miterlebt. Anfangs war es nichts als Spaß, endlich raus aus der Bronx. Plötzlich konnte er nach Japan reisen. "Verrückt", erinnert er sich, "sie geben dir mehrere Tausend Dollar dafür, dass du vor einer Kamera ein paar Zeilen vorliest." In Australien traf er sogar den Dalai Lama.

Vor der Wahl 2012 aber heuert Ortiz bei Dustin Gold an, einem Künstleragenten, der Imitatoren berühmter Politiker verpflichtet. Mit einem übertrieben steifen Mitt Romney und einem etwas zu stämmig geratenen Bill Clinton geht er auf Tournee. Meist sind es Kongresse von Geschäftsleuten, bei denen sie auftreten. Heimspiele der Republikaner. Das Publikum soll auf seine Kosten kommen, es soll Obama auslachen können.

Also muss Ortiz so billige Witzchen machen, dass es ihn anödet: "Mitt Romney will mir das Weiße Haus wegnehmen. Aber es ist extrem schwer, einen schwarzen Mann wieder herauszukriegen aus einer subventionierten Wohnung." Manchmal, findet Ortiz, geht es an die Grenze des Rassistischen. Die Stereotype gehen ihm auf die Nerven, aber er braucht das Geld und macht weiter, bis er sich nach der Wahl mit Gold überwirft.

Bisweilen erlaubt er sich einen Gag, so wie im Juni im Eisenhower Executive Office Building, einem Regierungsgebäude neben dem Weißen Haus. Begleitet von Dokumentarfilmer Murdock, öffnete er die Türen von Besprechungszimmern, was den Effekt hatte, dass sich die Versammelten sofort erhoben. "Weitermachen, ich will nicht stören", rief Ortiz, jedenfalls erzählt er es so. Wie es ihm gelang, die Wachen am Eingang zu überlisten - das behält er lieber für sich.

(RP)
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