Deutsche Handelsüberschüsse Deshalb hat Donald Trump mit seiner Kritik unrecht

Berlin · Donald Trump beschwert sich mit drastischen Worten über die hohen deutschen Handelsüberschüsse. Aber anstatt mit Strafzöllen zu drohen, sollte der US-Präsident die Bedingungen für die US-Wirtschaft verbessern. Denn ihre Wettbewerbsfähigkeit ist das Problem.

 US-Präsident Donald Trump.

US-Präsident Donald Trump.

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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte gestern die Wogen zu glätten. Ja, der US-Präsident habe sich bei ihm und EU-Ratspräsident Donald Tusk über den hohen deutschen Handelsüberschuss beschwert. Ja, dabei seien auch die Worte "bad, very bad" gefallen. Allerdings sei das von Donald Trump in keiner Weise aggressiv vorgetragen worden. ",Bad´ heißt nicht böse", sagte Juncker.

Deutsche Medien hatten zuvor unter Berufung auf Teilnehmer aus dem Gespräch berichtet, das Juncker und Tusk am Donnerstag mit Trump geführt hatten. Ein Zitat Trumps wurde in den Medien auf deutsch so wiedergegeben: "Die Deutschen sind böse, sehr böse." Juncker bezeichnete diese Übersetzung als übertrieben. "Man muss das richtigstellen", sagte er. "Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: Bad heißt nicht böse, schlecht reicht."

Was aber bleibt, sind tiefe Irritationen bei Deutschen und Europäern. Trumps Kritik am deutschen Exportüberschuss gegenüber den USA ist zwar nicht neu, doch hatte insbesondere die Bundesregierung gehofft, Trump habe in den letzten Monaten schon eingesehen, was der wichtigste Grund für das Ungleichgewicht ist — dass nämlich die Amerikaner einfach mehr gute deutsche Produkte kaufen wollen als umgekehrt.

Das aggressive Auftreten des US-Präsidenten bei seinem ersten Besuch in Europa zeugte jedoch nicht von einem Umdenken — und so bleibt nun weiter offen, mit welchen protektionistischen Maßnahmen Trump reagieren wird. Beim G7-Treffen der sieben mächtigsten Staats- und Regierungschefs im sizilianischen Taormina zeigte sich, dass sich der Amerikaner mit seinen kruden Ansichten zunehmend isoliert.

Wie hoch ist der deutsche Außenhandelsüberschuss gegenüber den USA? Tatsächlich exportierten deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr Waren im Wert von 107 Milliarden Euro in die USA, während die US-Wirtschaft umgekehrt nur etwa die Hälfte oder 58 Milliarden Euro in Deutschland absetzte. Für die kleinere deutsche Volkswirtschaft mit ihren 80 Millionen Einwohnern ist das gegenüber der weltgrößten Ökonomie mit über 250 Millionen Konsumenten eine stattliche Leistung.

Während die Importe aus den USA 2016 konstant blieben, gingen die deutschen Exporte nach dem Rekordwert von 2015 immerhin bereits um zehn Milliarden Euro zurück. Die Bundesregierung argumentiert, der Überschuss werde auch künftig geringer, wenn die Löhne in Deutschland und der Euro-Kurs gegenüber dem US-Dollar weiter stiegen.

Und gegenüber der Welt insgesamt? Deutschland wurde 2016 mit einem Handelsbilanzüberschuss von 272 Milliarden Euro wieder Exportweltmeister und verwies China und Japan auf die Pläne zwei und drei. Damit summierte sich das Handelsplus auf 8,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Fast jeder vierte Arbeitsplatz hängt damit direkt oder indirekt vom Export ab. Man spricht deshalb auch vom "Geschäftsmodell" der deutschen Wirtschaft: Sie wird wesentlich vom Export getragen.

Die USA dagegen häuften das weltweit größte Handelsdefizit an. Schon seit Jahrzehnten importieren die USA erheblich mehr als sie exportieren. Getragen wird die US-Wirtschaft traditionell vom starken privaten Konsum. Um das Defizit finanzieren, sind die USA aber auf eine hohe Verschuldung und einen riesigen Strom ausländischem Kapitals angewiesen. Dadurch sind sie theoretisch anfällig: Ziehen die ausländischen Kapitalgeber, etwa aus China, ihr Geld ab, bricht die US-Wirtschaft ein.

Was sind die Ursachen des hohen deutschen Überschusses? Deutsche Maschinen oder Autos von BMW, Daimler oder Volkswagen sind beliebt in den USA. Umgekehrt gibt es nicht so furchtbar viele Chevrolets auf deutschen Straßen. Allerdings werden die für den US-Markt bestimmten Autos mit deutscher Marke großteils dort hergestellt und nicht importiert.

"Made in Germany" genießt international einen hervorragenden Ruf, weil die Produkte oft hochwertig sind. "Deutsche Produkte werden wegen ihrer hohen Qualität und Zuverlässigkeit gekauft — auch in den USA", sagt Achim Dercks, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro-Kurs gegenüber dem US-Dollar gesenkt und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen gesteigert, hinzu kamen niedrige Rohstoff- und Ölpreise. Weder EZB-Zinsen, noch Ölpreise kann die deutsche Politik jedoch beeinflussen. Die Lohnpolitik allerdings schon.

Doch die Phase zu geringer Lohnabschlüsse ist seit etwa fünf Jahren vorbei. Zuvor achteten die Deutschen peinlich genau darauf, dass ihre Lohnstückkosten etwas langsamer stiegen als die vieler Konkurrenten. Dadurch erzielten sie innerhalb Europas für sich Vorteile, was von den Partnern zu Recht kritisiert wurde.

Warum wird der deutsche Handelsüberschuss so stark kritisiert? Nicht nur Trump, auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, oder Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron halten die deutschen Exporterfolge für ökonomisch "nicht tragbar". Der Grund: Wer dauerhaft mehr im Ausland verkauft als er einkauft, "verdient" auch dauerhaft am Ausland, nutzt es also aus. Gewinne werden im Inland versteuert, Jobs im Inland geschaffen, während sich das Ausland zunehmend verschuldet, seine finanziellen Spielräume verringert.

Hat Trump also Recht? Nein. Denn das Ungleichgewicht im bilateralen Handel liegt in der Tat weit überwiegend in der geringeren Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft gegenüber der deutschen begründet. Trumps Aufgabe wäre es also, die Bedingungen für die US-Wirtschaft zu verbessern statt Strafzölle zu verhängen und die Welt mit protektionistischen Drohungen in Angst und Schrecken zu versetzen.

"Die anderen müssen halt ihre Hausaufgaben machen, dann werden sie auch konkurrenzfähiger und können ihre Produkte auf dem Weltmarkt besser verkaufen. Es ist nicht unser Problem, wenn unsere Produkte attraktiver sind als viele andere", sagt Außenhandelspräsident Anton Börner.

Welche Kritik von anderen ist berechtigt? Die Exportüberschüsse gehen mit hohen Kapitalexporten einher: Die Deutschen legen ihr Geld in aller Welt an, oft verlieren sie es dort auch, etwa in der Finanzkrise 2008. Wenn die Deutschen ihr Geld aber verstärkt im eigenen Land anlegen würden, würde hier auch mehr investiert. Dadurch würde die Inlandsnachfrage stärker — und Deutschland würde mehr Produkte im Ausland nachfragen.

Es geht also weniger darum, bei den Exporten schwächer zu werden als bei den Importen stärker. Der Staat könnte seine Investitionen noch stärker hochfahren — und mehr steuerliche Anreize schaffen, damit Unternehmen und Privatanleger ihr Geld im Inland investieren.

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