Korruptionsaffäre in Brasilien Batista gegen Temer - das Duell zweier Alphatiere

Brasilia · Er kaufte Politiker. Jetzt ist Joesley Batista weg, aus Sicht des brasilianischen Präsidenten in die USA geflüchtet. "Er ist frei und spaziert jetzt durch die Straßen New Yorks", ereifert sich Brasiliens Staatschef Michel Temer. Es ist das Duell zweier Alphatiere, ein Showdown. Am Ende könnten beide stürzen.

 Joesley Batista (Archivaufnahme).

Joesley Batista (Archivaufnahme).

Foto: dpa, ZEUS flm wst

Was ans Licht kommt, ist schier unfassbar, erklärt aber, wie Batista den Umsatz seines Fleischkonzerns JBS seit 2007 vervierzigfachen konnte. Man staunt, wie immer wieder Brasilianer zu großen Nummern im globalen Kapitalismus aufsteigen. Der bekannteste ist Jorge Lemann, der sich den größten Bierkonzern der Welt (AB Inbev) zusammengekauft und US-Konzerne wie Heinz Ketchup und Kraft Foods übernommen hat.

Wie aus dem Nichts wurden Joesley und sein Bruder Wesley Batista seit 2007 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt - durch die Aquise des US-Fleischkonzerns Swift & Company. In Rekordtempo wuchs ihr Konzern JBS zum größten Fleischproduzenten der Welt, der Umsatz stieg binnen zehn Jahren von vier auf 170 Milliarden Reais (46,5 Mrd. Euro) im Jahr.

Joesley Batista kommt aus dem von Viehzucht geprägten Bundesstaat Goiás, er arbeitete früh im Fleischunternehmen seines Vaters mit, José Batista Sobrinho, die drei Initialen stehen heute für JBS.

Ende 2015 kaufte man auch noch den Schuhkonzern Alpargatas, der die weltbekannten Havaianas-Schlappen produziert, für umgerechnet 740 Millionen Euro. Mit gerade mal 44 Jahren ist Batista steinreich, JBS hat 340 Produktionsstätten weltweit, 200.000 Mitarbeiter und exportiert in 150 Länder. Aber seit einigen Monaten wird immer deutlicher, wie dieser Mann aus der Provinz so aufsteigen konnte.

JBS soll über die staatliche Entwicklungsbank BNDES laut dem Portal "O Globo" insgesamt fünf Milliarden Reais (1,37 Mrd. Euro) an Krediten bekommen - und am Ende die öffentlichen Kassen um über 300 Millionen Euro geprellt haben. Fünf Polizeirazzien gab es in einem Jahr, nebenbei kam noch ein Gammelfleischskandal ans Tageslicht.

Temer war da noch auf Batistas Seite, schickte seinen Agrarminister nach China, um ein rasches Ende des Importstopps zu erreichen. Und Temer ging mit den Botschaftern führender Fleisch-Importländer in ein Steakhaus in Brasilia, um für die gute Qualität des brasilianischen Fleisches zu werben. Hinterher kam dummerweise heraus, dass der Laden aber nur mit Fleisch aus Europa, Uruguay und Australien arbeitet.

Batista droht Haft

Da hatte Batista längst ein Problem. Scheinbar viel Dreck am Stecken entschloss er sich, bei der Bundesjustiz auszupacken, zahlte rund 65 Millionen Euro Strafe - und machte sich auf den Weg in die USA. Ihm kann, jetzt wo immer mehr rauskommt, noch das Gefängnis drohen.

Rund 500 Millionen Reais (137 Mio Euro) hat sein Konzern der Politik zukommen lassen: drei Präsidenten, 167 Abgeordnete und 1829 Kandidaten bei Wahlen sollen profitiert haben. Nach dem Ölkonzern Petrobras und dem Baukonzern Odebrecht ein neuer Korruptionsskandal.

Batista traf sich im März mit Temer, ließ ein in der Hose verstecktes Aufnahmgerät mitlaufen, der Mitschnitt fand den Weg in die Öffentlichkeit, wie auch Fotos einer Geldkofferübergabe an einen Temer-Vertrauten.

Schweigegeld, Wahlkampfspenden und Geldkofferübergaben

Der Präsident tappte in eine Falle, scheint es. Temer steht seither am Rande des Sturzes, ihm droht ein Amtsenthebungsverfahren, wenn er nicht von sich aus aufgibt. Es scheint, dass Temer bei dem Treffen Schweigegeldabsprachen unterstützt hat, um einen Mitwisser über all die illegalen Deals ruhig zu halten. Es riecht nach Behinderung der Justizarbeit. Und Temer soll sich von JBS-Wahlkampfspenden rund eine Million Reais (280.000 Euro) in die eigene Tasche gesteckt haben.

Temer hat den Spieß umgedreht, er sieht ein abgekartertes Spiel: Denn Batista musste wissen, dass die Börse abstürzen wird, wenn das alles publik wird. Gilt Temer doch als Garant für harte Reformen, damit die neuntgrößte Volkswirtschaft aus der Rezession kommt - und die Märkte fürchten ein Comeback des linken Luiz Inácio Lula da Silva. Temer meint, Batista habe zig Millionen Dollar verdient, indem er vorher Aktien verkaufte und "eine Milliarde Dollar" kaufte, bevor der Real dann abstürzte und der Devisenkauf viel teurer wurde.

Temer stellt Batista nun als undankbaren Kerl da, der die Brasilianer betrogen habe und abgehauen sei. Batista hat jedoch schon länger einen Wohnsitz auch in New York. Aber mit seiner Robin-Hood-Attitüde, er wolle mit seinem Auspacken staatliche Korruption besiegen, kommt er nicht recht durch. Wer hier Sieger oder Verlierer ist, ist noch nicht entschieden. Verloren hat in jedem Fall der Ruf des Landes.

Welche Szenarien sind denkbar?

Rücktritt: Dann würde der Präsident des Abgeordnetenhauses, Rodrigo Maia, übernehmen und binnen 30 Tagen indirekte Wahlen ausrufen. Ein Abgeordneter oder Senator würde bis Ende 2018 als Präsident gewählt.

Annullierung: Wegen womöglich illegaler Finanzierung unter anderem von Temers Kampagne entscheidet der Wahlgerichtshof am 6. Juni, ob die Wahlen 2014 ungültig waren. Dann könnte es Neuwahlen geben.

Amtsenthebung: Es liegen bereits mehrere Anträge vor, der Prozess dauert rund ein halbes Jahr. Bereits 2016 wurde Dilma Rousseff so abgesetzt. Dann könnte Parlamentspräsident Rodrigo Maia übernehmen.

Strafverfahren: Auf Antrag des Generalbundesanwalts könnte das Parlament mit Zweidrittelmehrheit grünes Licht für den Obersten Gerichtshof geben, der Temer absetzen könnte. Dann käme es zu indirekten Wahlen.

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort