Schäubles Idee entzweit Experten Konflikt um den Europäischen Währungsfonds

Berlin (RPO). Unter dem Druck der Griechenland-Krise geht die EU in die Offensive: Zur Stützung in Schieflage geratener Euro-Staaten wurde am Montag von immer mehr Seiten eine Art Europäischer Währungsfonds gefordert, darunter auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die EU-Kommission will sich bereits am Dienstag mit der Idee befassen.

Euro-Länder in der Schuldenfalle
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Foto: AP

Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) ist einem Medienbericht zufolge schon weit gediehen. Während der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark den Währungsfonds allerdings strikt ablehnt, forciert die EU-Kommission unter Wirtschaftskommissar Olli Rehn unterdessen die Schaffung des Instruments.

Ein Sprecher Schäubles verwies am Montag allerdings darauf, dass die Initiative nicht kurzfristig wirken könne. Die Überlegungen hätten "mehr grundsätzlichen und konzeptionellen Charakter" und seien "insofern nicht kurzfristig zur Lösung der Griechenland-Krise angedacht", sagte Ministeriumssprecher Michael Offer in Berlin.

Schäuble hatte in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" gesagt: "Wir sollten in Ruhe darüber diskutieren, welche Konsequenzen aus der Griechenland-Krise zu ziehen sind. Dabei sollten wir keine Vorschläge von vornherein ausschließen, auch nicht die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds."

Merkel begrüßt Vorschlag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Idee zur Bildung eines Europäischen Währungsfonds begrüßt. "Ich finde den Gedanken gut und interessant", sagte Merkel am Montag vor ausländischen Journalisten in Berlin. Es seien jedoch noch viele Fragen offen. So müsse beispielsweise geklärt werden, wie sich der Währungsfonds finanzieren und in welcher Beziehung er zur Europäischen Kommission stehen soll. Zugleich betonte Merkel, dass für die Schaffung eines solchen Fonds der EU-Vertrag von Lissabon geändert werden müsse. Die griechische Finanzkrise habe jedoch gezeigt, dass die bisherigen Instrumente der EU unzureichend seien.

Gabriel froh über Aufgreifen einer SPD-Anregung

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel äußerte sich zustimmend zum Währungsfonds. Gabriel sagte, er sei froh, "dass nun wenigstens der deutsche Finanzminister diese Idee der Sozialdemokraten aufgegriffen hat." Er sagte dem "Tagesspiegel" , wenn bei der Europäischen Investitionsbank ein Hilfsfonds eingerichtet werde, könnten sich daraus "EU-Mitglieder mit Zahlungsschwierigkeiten zu normalen Zinsen mit Krediten versorgen. Auf diese Weise würden die Spekulationen der Hedgefonds auf den Bankrott einzelner EU-Staaten sowie den Niedergang des Euro ausgebremst."

Die Grünen verlangten "europäischen Schutz vor internationalen Spekulanten" für Griechenland. Ihr Fraktionsvize Fritz Kuhn erklärte, ein konsequenter Sparkurs der Euro-Länder "darf nicht durch Spekulation gefährdet werden". Darum müssten die sogenannten Kreditausfallversicherungen (CDS), sofern sie nicht zur Versicherung eigener Risken dienen, verboten werden.

"Wichtigster Partner ist Frankreich"

Laut "Financial Times Deutschland" sind die Pläne Schäubles bereits weit gediehen. Nach Informationen aus EU-Kreisen könnten schon in der nächsten Woche erste Vorentscheidungen fallen, hieß es in dem Bericht. Laut Zeitung könnte es nach Schäubles Überlegungen in künftigen Schuldenkrisen Liquiditätshilfen für Euro-Mitgliedsstaaten geben.

Diese wären an strikte Auflagen gebunden. Ob und unter welchen Bedingungen es Hilfen gebe, müsste die Euro-Gruppe demnach einstimmig entscheiden - unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds. Euro-Länder würden sich den Plänen zufolge zudem verpflichten, kein Geld vom IWF anzunehmen. Damit solle vermieden werden, dass etwa die USA oder China Einfluss auf innere Euro-Angelegenheiten nehmen könnten.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte nach einer Präsidiumssitzung der Partei in Berlin, die CDU sei "grundsätzlich offen" für die Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds. Die CDU bekenne sich ausdrücklich zum Stabilitätspakt, allerdings müssten Vorkehrungen getroffen werden, um im Zweifelsfall intervenieren zu können. Daher gehe die CDU offen mit Vorschlägen zum Europäischen Währungsfonds um.

Die EU-Kommission drückt bei der Schaffung eines Europäischen Währungsfonds aufs Tempo, am Dienstag soll es Gespräche geben. Wirtschaftskommissar Olli Rehn Rehn will bis spätestens Ende Juni einen Vorschlag auf den Tisch legen. "Die Kommission ist bereit, solch ein Instrument vorzuschlagen, das der Unterstützung aller Euro-Länder bedarf", sagte der Sprecher des finnischen Kommissars.

EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark lehnt einen Europäischen Währungsfonds hingegen strikt ab. "Ein solcher Mechanismus wäre nicht mit der Geschäftsgrundlage der Währungsunion vereinbar", argumentiert Stark in einem Gastkommentar für das Handelsblatt gegen den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Jedes Land hafte für seinen öffentlichen Haushalt und damit für seine Schulden selbst. "Es wäre der Start eines europäischen Finanzausgleichs, der sehr teuer werden könnte, die falschen Anreize setzt und letztlich Länder mit solideren öffentlichen Finanzen belasten würde."

Mit der Aussicht auf einen solchen Fond würden Länder mit "finanzpolitischem Schlendrian" ihr Verhalten nicht ändern, schreibt Stark. Es bestehe dann die Gefahr, dass "die öffentliche Akzeptanz des Euro und der Europäischen Union unterminiert würden". Die EU-Kommission hat die von Schäuble am Wochenende geäußerte Idee begrüßt.

Ökonomen zeigen sich skeptisch

Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger sagte der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung", es komme derzeit "nicht in erster Linie auf neue Institutionen an", sondern darauf , "dass man gemeinsam vorgeht und einen vernünftigen Rahmen für den Konsolidierungsprozess entwickelt". Ob dieser dann von einem Fonds oder der Europäischen Kommission überwacht wird sei zweitrangig, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Allerdings sollte man auf jeden Fall gründlich prüfen, "ob man neben der Kommission und der Europäischen Zentralbank noch einen Fonds braucht".

Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), lehnt die Idee eines Europäischen Währungsfonds ab. Es bringe nichts, "eine weitere Organisation einzurichten, die vor sich hin funktioniert", sagte Zimmermann "Spiegel Online". "Die Euro-Länder sollten sich stattdessen überlegen, ob sie eine gemeinschaftliche Wirtschaftsregierung mit einer gemeinsamen Fiskalpolitik etablieren." Statt eine neue Organisation zu schaffen, sei es "sinnvoller, den Maastricht-Vertrag ordentlich anzuwenden", sagte Zimmermann.

Kritik auch aus anderen Reihen

Griechenlands Notenbankchef Giorgos Provopoulos äußerte sich skeptisch zu der Idee. "Wenn wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt konsequent respektieren und wenn alle Euro-Länder sehr glaubwürdige und mutige Konsolidierung betreiben, wird solch ein Mechanismus nicht nötig sein", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) der "FTD".

Auch in Deutschland stieß der Vorstoß auf Kritik. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, warnte davor, sich den IWF zum Vorbild zu nehmen. Der IWF habe über Jahrzehnte überschuldeten Staaten "völlig verfehlte Wirtschaftspolitik aufgezwungen und allein die Interessen der Gläubiger im Blick gehabt", sagte er "Handelsblatt Online". Auch der Linken-Wirtschaftsexperte Michael Schlecht erklärte in Berlin, ein eigener Währungsfonds sei überflüssig, wenn der IWF als Vorbild genommen werde.

Der Direktor des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, bezweifelte den Sinn eines eigenen europäischen Fonds. Mit dem IWF gebe es bereits einen Fonds, "der das kann und der das auch gut geübt kann", sagte Hüther der Deutschen Welle.

(DDP/APN/AFP/felt)
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