Waffenstillstand zwischen Regierung und Farc Kolumbien auf dem Weg zum Frieden

Bogotá · Nach 50 Jahren schließen die Bürgerkriegsparteien einen Waffenstillstand. Das Land hat alle Chancen, Lateinamerikas Lokomotive zu werden.

 Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Chef Rodrigo Londoño alias "Timochenko" reichen sich die Hände.

Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Chef Rodrigo Londoño alias "Timochenko" reichen sich die Hände.

Foto: afp, ar

Kolumbien beendet seinen 50-jährigen Bürgerkrieg. Die linke Farc-Guerilla und die konservative Regierung von Präsident Juan Manuel Santos wollten gestern in der kubanischen Hauptstadt Havanna das am Mittwoch vereinbarte Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen.

Damit gibt es noch keinen endgültigen Frieden, aber die Voraussetzung ist geschaffen. Die jüngsten Vereinbarungen der mehr als drei Jahre währenden Verhandlungen legen die Entwaffnung der Rebellen fest. Santos hat angekündigt, dass ein Friedensvertrag bis zum Unabhängigkeitstag am 20. Juli vereinbart werden könne.

Das Land hat mehrere gescheiterte Friedensprozesse hinter sich und seit 2003 die Entwaffnung von mehr als 30.000 Paramilitärs, die sich teilweise neu formiert haben und die Bevölkerung terrorisieren. Insgesamt wurden in dem Konflikt zwischen Regierung, Guerillas und paramilitärischen Gruppen nach Angaben des Nationalen Erinnerungszentrums 340.000 Menschen getötet, davon 80 Prozent Zivilisten.

"Bis zur letzten Pistole wird die Farc ihre Waffen abgeben"

Nun aber haben die beiden ideologischen Todfeinde geschafft, was ihnen kaum jemand zugetraut hatte: auf dem Weg des Dialogs das Problem bei den Wurzeln zu packen. Der anvisierte Friedensvertrag, dem die Bevölkerung noch zustimmen muss, bringt das Land in eine Position, die neue Lokomotive Lateinamerikas zu werden. "Bis zur letzten Pistole wird die Farc ihre Waffen abgeben", versprach Santos seinen skeptischen Landsleuten. Die haben seit Jahrzehnten viel vom Frieden gehört, aber nur Krieg gesehen.

Wirtschaftsexperten sind sich einig: Ein Frieden ließe die bereits ordentlichen Wachstumsraten noch einmal um zwei bis drei Prozentpunkte steigen. Der 48-Millionen-Einwohner-Staat Kolumbien, dessen Bevölkerung überwiegend jung ist, gehört zu jenen Ländern, denen eine große Zukunft vorausgesagt wird. Milliarden hat das Land bisher in die Rüstung und das Militär gesteckt — Mittel, die langfristig zumindest teilweise freiwerden für Bildung und Infrastruktur.

Schon in den vergangenen Jahren hat sich Kolumbien enorm gewandelt. Bogotá mit seinem neuen Hauptstadtflughafen, der pünktlich fertig wurde, ist eine pulsierende Wirtschaftsmetropole geworden. Die koloniale Küstenstadt Cartagena zählt zu den Hotspots des internationalen Tourismus. Das früher als Sitz eines Drogenkartells verrufene Medellín wurde jüngst zur innovativsten Stadt der Welt gekürt.

Fonds mit ungenutztem Land für Bauern geplant

Der Waffenstillstand bietet die Möglichkeit eines Neuanfangs. Kolumbien muss die Ursachen des Konflikts beseitigen. Die tiefe soziale Ungleichheit muss gemildert, die Löhne müssen gerechter werden, Millionen Vertriebener muss ihr Land zurückgegeben werden, und die Gewalt linker und rechter bewaffneter Gruppen gegen Minderheiten ist aufzuarbeiten. Dazu gehört ein beherztes Vorgehen gegen die Gewalt rechter Paramilitärs, die mindestens ebenso mitschuldig an Massenvertreibung, Mord und Folter sind wie die Farc-Guerilla.

Die bisherigen Vereinbarungen sehen einen Fonds mit ungenutztem Land vor, das den Bauern überschrieben werden soll, ebenso wie Zonen, die nur für Kleinbauern reserviert sind. Denn ein Großteil der sechs Millionen Vertriebenen sind Bauern. Das Regierungslager habe aber ein Gesetz durchgesetzt, mit dem Unternehmen ihre durch Landraub angehäuften Ländereien legalisieren könnten, kritisiert der Senator und Menschenrechtler Iván Cepeda. Denn im Boden liegen reiche Rohstoffvorkommen. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl, Kohle, Gold, Nickel, Kupfer und Koltan machen einen wichtigen Anteil des Haushalts aus.

Von dem historischen Tag in Havanna geht eine Signalwirkung aus: Just zu jenem Zeitpunkt, an dem Europa von politischen Fliehkräften zerrissen zu werden droht, beendet Amerika einen seiner ältesten politischen Konflikte. Von Alaska bis Feuerland ist der Doppelkontinent damit kriegsfrei, den mexikanischen Drogenkrieg einmal ausgenommen. Das Tauwetter zwischen den USA und Kuba bildet den überregionalen Rahmen für einen großen inneramerikanischen Versöhnungsprozess, zu dem auch der kolumbianische Vertrag zählt.

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