Diplomatische Eiszeit Der Glanz Katars bröckelt

Teheran/Doha · Fünf Länder haben ihre diplomatischen Beziehungen zu dem Emirat abgebrochen. Der Vorwurf: Unterstützung des Terrorismus.

Katar: Der Glanz bröckelt durch diplomatische Eiszeit
Foto: DPA, Imago, Grafik: C. Schnettler

Der Schwerttanz von Donald Trump neulich in Riad hatte es in sich. Inmitten saudischer Scheichs hüpfte der US-Präsident unbeholfen von einem Bein aufs andere und fuchtelte dabei mit der Waffe herum. Die Bilder gingen um die Welt. Die Reaktionen waren zumeist Hohn und Spott, aber auch Angst vor einem, der sich nicht scheut, sich lächerlich zu machen. Im Iran überwog letzteres, denn Trump wollte damit einen entschlossenen Schulterschluss sunnitischer Staaten gegen den schiitischen Iran demonstrieren.

Das trumpsche Sälbelrasseln hat jedoch zunächst einmal Katar getroffen. In der Hauptstadt Doha gibt es leere Regale und überfüllte Einkaufswagen in den Supermärkten. Über soziale Medien werden Tipps ausgetauscht, wo es noch etwas gibt. Besonders nachgefragt seien Milch, Eier, Reis und Trinkwasser, heißt es auf der "Doha News"-Webseite. Bilder zeigen auch leere Fleischtheken. Die Einwohner der Hauptstadt des 2,7 Millionen Menschen zählenden Emirats tätigen Hamsterkäufe. Das reichste Land der Welt, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, bekommt urplötzlich Panik und existenzielle Sorgen.

Der Grund dafür sind die US-Verbündeten Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Jemen. Diese Länder haben ihre Beziehungen zum Nachbarn am Golf abgebrochen und wollen Katar isolieren. Sie werfen dem Mitglied des Golfrates Unterstützung von terroristischen Gruppen vor. Gestern wurden die Flüge von und nach Doha in diese Länder eingestellt und die Botschafter ausgewiesen. Saudi-Arabien will sogar alle Kataris innerhalb von zwei Wochen aus dem Land ausweisen. Der Landweg für Lebensmittellieferungen und andere Güter ist zu; die einzige Landgrenze zu Saudi-Arabien geschlossen. Katar steht mächtig unter Druck.

Eigentlich wollte US-Präsident Donald Trump den Iran isolieren. In seiner Rede in Riad warf er dem Land Unterstützung des Terrorismus vor: "Der Iran finanziert, bewaffnet und bildet Terroristen, Söldner und andere extremistische Gruppen aus", sagte Trump. Dies gelte vom Libanon über den Irak bis hin zum Jemen. Dass jetzt die gleiche Rhetorik für den Boykott gegen Katar vonseiten Saudi-Arabiens verwendet wird, ist auf den ersten Blick wohl ein Versehen.

Denn Emir Tamim bin Hamad al-Thani zeigte sich mit Donald Trump an der Seite im Vieraugengespräch beim Gipfel in Riad entspannt. Die USA unterhalten eine wichtige Militärbasis außerhalb von Doha, von wo aus der Einsatz im Irak 2003 angeführt und koordiniert wurde. Von daher ist Katar ein wichtiger Partner der Amerikaner, die auch deshalb jetzt um Schadensbegrenzung bemüht sind.

Auf den zweiten Blick allerdings hat der Schritt Saudi-Arabiens und der anderen ihm hörigen Staaten System. Der Wüstenstaat kämpft mit dem Iran um die Vorherrschaft in der Region und sieht Teheran als seinen Hauptgegner. Bei seinem Besuch in Saudi-Arabien hat US-Präsident Trump den Standpunkt Riads gestützt: Der Iran ist der Feind, Saudi-Arabien ist die Ordnungsmacht am Golf. Trump versprach den Saudis Waffenlieferungen im Wert von mehr als 110 Milliarden Euro - ein größtmögliches Zugeständnis an die Außen- und Sicherheitspolitik. Riad fühlt sich seitdem gestärkt. Nach dem Motto, wer nicht für mich ist, ist gegen mich, musste Katar einen Denkzettel erhalten. Trumps Rede hat die Golfstaaten gespalten.

Das Weiße Haus teilte nun mit, der Präsident werde sich bemühen, die Lage zu deeskalieren. Die Vereinigten Staaten wollten keinen "dauerhaften Bruch" zwischen den Golf-Staaten, erklärte ein ranghoher Vertreter der Regierung Trump. Sollten die Staaten des Golf-Kooperationsrates angesichts der Spannungen einen Sondergipfel anberaumen, werde ein US-Vertreter dazukommen, kündigte er an. "Wir wollen sie in die richtige Richtung bringen." Zugleich bekräftigte die US-Regierung die Kritik an Katar. Viele Handlungen des Emirats seien "einigermaßen besorgniserregend", nicht nur in den Augen der anderen Staaten der Region, sondern auch aus Sicht der Vereinigten Staaten. Der Brandstifter wird zum Feuerwehrmann, sein rhetorischer Schuss gegen den Iran ging nach hinten los.

Der Bruch unter den US-Verbündeten löste im Iran Schadenfreude aus. "Das war wohl der erste Riss in der Anti-Iran-Koalition und auch das erste Ergebnis des Schwerttanzes in Riad", twitterte Hamid Aboutalebi, Vizestabschef im Präsidialamt. Er sei verwundert, wie politisch "zerbrechlich die arabischen Staaten sein müssen, wenn ein kleines Emirat wie Katar für sie zu einer strategischen Gefahr wird".

Tatsächlich unterhält Katar vergleichsweise enge Beziehungen zum Iran. Hochrangige Vertreter beider Länder treffen sich regelmäßig, die wirtschaftlichen Verflechtungen sind eng, unter anderem teilen sich beide Staaten das größte Erdgasfeld der Erde. Zehntausende Iraner leben in Katar und gelten als gut integriert. Emir al-Thani gratulierte Hassan Rohani telefonisch zu seinem erneuten Sieg bei den Präsidentschaftswahlen und nannte das Land eine "islamische Macht". Die Saudis schäumten vor Wut.

Bislang haben sich die Staaten, die jetzt Front gegen Katar machen, nicht an den Vorwürfen der Terrorunterstützung gestört. Im Gegenteil sogar. Saudi-Arabien half beherzt mit, als es darum ging, zunächst Al Kaida im Irak, dann Al Nusra in Syrien zu bewaffnen. Seite an Seite mit Katar wurden über inoffizielle Kanäle Waffen besorgt und an die Rebellen verteilt, Schmugglerrouten von Mossul nach Syrien ausgelotet, Geldtransfers organisiert. Dass dies nicht von offiziellen Regierungsstellen in Riad und Doha organisiert wurde, versteht sich von selbst.

Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass der omnipräsente Geheimdienst beider Länder nichts davon mitbekommen hat. Während außerdem das wahabitische Saudi-Arabien über Jahre hinweg vor allem seine fundamentalistische Auslegung des sunnitischen Islam in die ganze Region exportierte, hielt sich das ebenso wahabitische Katar mit dieser "Missionierung" weitgehend zurück - bis in Ägypten die Muslimbrüder an die Macht kamen.

In Islamistenpräsident Mohammed Mursi sah der Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, einen natürlichen Verbündeten. Mit vier Milliarden Dollar unterstützte er die neuen Machthaber in Kairo und beriet sie in Fragen des politischen Islam. Riad reagierte verärgert, da es seinen Einfluss auf das bevölkerungsreichste arabische Land schwinden sah. Im März 2014 riefen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre Botschafter aus Katar zurück.

Doha ist die Hauptstadt von Katar und liegt am Persischen Golf.

Doha ist die Hauptstadt von Katar und liegt am Persischen Golf.

Foto: dpa, yv bjw tba wst

Dass Ägypten nun zusammen mit den anderen Golfstaaten ins gleiche Horn bläst, ist daher nicht verwunderlich. Für den nach einem Putsch an die Macht gekommene Abdul Fatah al-Sisi gelten die Muslimbrüder allesamt als Terroristen, deren Unterstützer und Sympathisanten ebenfalls. Rache übt der ägyptische Staatschef schon lange an Journalisten des katarischen Nachrichtensenders Al Dschasira. Er steckte sie ins Gefängnis und ließ den Sender verbieten. Seine erste Auslandsreise nach seiner Amtseinführung im Juni 2014 führte den ehemaligen Generalfeldmarschall nach Riad.

Doch die diplomatische Eskalation jetzt hat weder mit den Muslimbrüdern in Ägypten, noch mit deren Ableger Hamas im Gazastreifen zu tun, die ebenfalls von Katar unterstützt werden. Und auch Israel hat damit nichts zu tun. Der neuerliche Krach am Golf hat einen einzigen Grund: Iran.

(RP)
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