Proteste gegen Madrids harte Gangart Katalonien treibt Unabhängigkeitsreferendum voran

Barcelona · Katalonien treibt die Vorbereitungen für das Unabhängigkeitsreferendum am Sonntag weiter voran - gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid. Die Abstimmung werde in insgesamt 2315 Wahlbüros stattfinden, sagte der Sprecher der katalanischen Regierung, Jordi Turull, in Barcelona.

 Ein Mann fährt in Barcelona bei einer Demonstration einen Traktor mit der Fahne der Region Katalonien, der "Estelada", durch die Stadt.

Ein Mann fährt in Barcelona bei einer Demonstration einen Traktor mit der Fahne der Region Katalonien, der "Estelada", durch die Stadt.

Foto: dpa, FS wal pat

Zwei Tage zuvor hatte die Staatsanwaltschaft die Polizei angewiesen, alle voraussichtlichen Wahllokale zu schließen und zu blockieren.

Der Regierungssprecher bezifferte die Zahl der Abstimmungsberechtigten auf 5,3 Millionen und sprach von mehr als 7200 Wahlhelfern. Am Ende der Pressekonferenz enthüllten er, der katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras und Außenminister Raül Romeva eine Wahlurne mit dem Stempel der Regionalregierung.

Junqueras sagte, falls ein Wahlbüro geschlossen werde, hätten Bürger alternative Möglichkeiten für die Stimmabgabe. Einzelheiten nannte er nicht. Feuerwehrleute und mit Traktoren angerückte Bauern wollen die Wahlbüros am Sonntag schützen.

Das Parlament in Barcelona hatte Anfang September ungeachtet des von Madrid ausgeübten Drucks und trotz Verbots des Referendums durch das spanische Verfassungsgericht ein Gesetz verabschiedet, das den Weg für den Volksentscheid freimachte. Seitdem eskaliert die Krise zwischen den katalanischen Nationalisten und der Zentralregierung, die den Volksentscheid mit allen Mitteln verhindern will.

Auf Betreiben des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy entsandte Madrid tausende zusätzliche Polizeikräfte in die Region, darunter die bei vielen Katalanen verhasste Guardia Civil. Die Polizisten sollen in drei Fähren in den Häfen von Barcelona und Tarragona untergebracht werden. Allerdings wollen katalanische Hafenmitarbeiter die Versorgung der Fähren verweigern.

Die spanischen Einsatzkräfte hatten in den vergangenen Tagen hochrangige katalanische Regierungsmitarbeiter festgenommen sowie Wahlurnen, Stimmzettel und sonstige Referendumsunterlagen massenweise beschlagnahmt.

Die Justiz leitete überdies Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister ein, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen. Im Zusammenhang mit dem Volksentscheid stehende Internetseiten wurden auf richterliche Anordnung geschlossen.

Auch die katalanische Polizei Mossos D'Esquadra ist an die Anweisungen aus Madrid gebunden. Sie will diesen aber nur folgen, so lange dadurch nicht die öffentliche Ordnung in Gefahr sei. Die katalanische Regionalregierung rief die Unabhängigkeitsbefürworter auf jeden Fall auf, "friedlich" zu bleiben.

Das Auswärtige Amt in Berlin warnte Urlauber bereits vor einer möglichen "Eskalation". Vor allem in Barcelona könne es Demonstrationen geben. In einem aktualisierten Reisehinweis erging am Freitag die Empfehlung, "die lokalen Medien zu verfolgen, größere Menschenansammlungen in dieser Zeit zu meiden und den Anweisungen von Sicherheitskräften unbedingt Folge zu leisten".

Madrids verschärfte Gangart brachte in den vergangenen Tagen in Barcelona und anderen Städten tausende empörte Katalanen auf die Straße. Eine Mehrheit der Bewohner von Katalonien wünscht sich laut Umfragen ein legales Referendum, ist aber über eine Unabhängigkeit der Region gespalten.

Katalonien mit seinen etwa 7,5 Millionen Einwohnern ist etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und kommt für etwa ein Fünftel des spanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf. In der wohlhabenden Region im Nordosten Spaniens, in der eine eigene Sprache gesprochen wird, gibt es seit Jahrzehnten Bestrebungen, sich von Spanien loszulösen.

(AFP)
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