US-Strategieliste zum Kalten Krieg 91 Atombomben sollten auf Ost-Berlin niedergehen

Washington · Ein Eskalieren des Kalten Krieges konnte verhindern werden. Dennoch hatte die US-Armee ihre Strategie für den Ernstfall durchgeplant. Wie aus einer jetzt veröffentlichten Liste hervorgeht, hätten allein auf Ost-Berlin 91 Atombomben fallen sollen.

 Amerikanische Soldaten beobachten die Detonation einer Atombombe in der Wüste Nevadas. 1951 führte das US-Militär im Rahmen der Operation "Buster-Jangle" Kernwaffentests durch.

Amerikanische Soldaten beobachten die Detonation einer Atombombe in der Wüste Nevadas. 1951 führte das US-Militär im Rahmen der Operation "Buster-Jangle" Kernwaffentests durch.

Foto: Shutterstock.com/Everett Historical

Die Liste stammt aus dem Jahr 1956 und wurde nun vom US-Nationalarchiv der Universität in Washington, D.C. veröffentlicht. Darin nennt das SAC (Strategic Air Command, zu deutsch "Strategisches Luft-Kommando") Orte in der Sowjetunion, China und Osteuropa, die für 1959, also drei Jahre später, vom US-Militär als Nuklearziele mit hoher Prioriät eingestuft wurden. Mehrere wichtige Städte im Sowjet-Block, darunter auch Ost-Berlin, werden darin als Ziele, die mithilfe von Atombomben "systematisch zerstört" werden sollten, klassifiziert.

Zur Zeit des Kalten Krieges zwischen 1947 und 1989 galt Berlin, das damals in einen West- und einen Ostteil geteilt war, als Puffer zwischen den sich im Konflikt gegenüberstehenden Mächten der Allierten (USA, Frankreich, Großbritannien) auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite. Im Verlauf des Kalten Krieges gab es verschiedene Phasen von Anspannung und Entspannung des Konfliktes, wobei die Bedrohung durch Atomwaffen eine zentrale Rolle spielte. Zum Ende der 50er Jahre hatte sich die Situation verschärft.

Zu den 91 Zielen, die in der Liste für Ost-Berlin genannt werden, zählen Elektrizitätswerke, Bahnhöfe, Fabriken und Medienhäuser. Ob das Militär bei dieser Strategieplanung auch die Folgen für das benachbarte und mit den USA verbündete West-Berlin kalkuliert hat, geht aus dem 800 Seiten starken Dokument nicht hervor. Es ist das erste seiner Art, das von den USA veröffentlicht wurde.

Für den Sowjet-Block inklusive Ost-Berlin werden darin 1100 militärische Flugplätze genannt, auf die die USA potenziell Atombomben abgeworfen hätten. Die höchsten Prioritäten eins und zwei vergab das Militär an Bychau und Orscha, zwei kleinere Städte in Weißrussland, die der russischen Armee als Militärstützpunkte dienten. An beiden Orten hatte die Sowjetunion Raketen-Systeme aufgebaut, die NATO-Alliierte und US-Stützpunkte in Westeuropa bedrohten.

In einer zweiten Liste vermerkte das SAC urban-industrielle Gebiete, die das Militär im Falle eines Krieges mithilfe von Atomwaffen "systematisch zerstören" wollte.1200 Ziele stehen auf dieser Liste, Priorität eins und zwei hatten Moskau und Leningrad. Moskau wurden 179 "Ground Zeros" zugeordnet. Als "Ground Zero" wird in der militärischen Ausdrucksweise ein Ort beschrieben, an dem eine Atomexplosion stattgefunden hat.

Sowohl in Moskau als auch im damaligen Leningrad, das heute St. Petersburg heißt, befanden sich dem Bericht zufolge wichtige Zentren der sowjetischen Luftwaffe. Auf Leningrad sollten 145 Atombomben niedergehen. Hier visierte das Militär auch "Bevölkerungsziele" ("Population Targets") an. Die USA planten den Dokumenten zufolge, vorsätzlich auch urbane Gebiete mit Atomwaffen anzugreifen. Dies hätte gegen das internationale Kriegsrecht verstoßen.

"Es ist verstörend zu sehen, dass die USA damals die Bevölkerung als Ziel für ihre Atomwaffen anvisiert hat", sagte William Burr vom Nationalarchiv in Washington der "New York Times". Hätten die USA ihre in der Liste dargelegten Pläne in die Tat umgesetzt, wären die Folgen verheerend gewesen. 1959 verfügte das US-Militär über 12.000 Nuklearwaffen. Zwei Jahre später, 1961, waren es bereits über 22.000, wie es in dem SAC-Bericht heißt.

(lsa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort