US-Präsidentschaftswahlen Wirft Joe Biden seinen Hut in den Ring?

Washington · Nicht die Börsenturbulenzen, nicht das Iran-Abkommen - das Thema, das die Politikszene im schwülen Washingtoner Sommer beschäftigt, ist die Zukunft von Vizepräsident Joe Biden. Oder konkreter: Die Frage, ob der 72-Jährige angesichts sinkender Umfragewerte von Hillary Clinton seine Chance wittert und doch noch ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten einsteigt.

 Vom Vize zum Präsident: Joe Biden hat neue Pläne.

Vom Vize zum Präsident: Joe Biden hat neue Pläne.

Foto: ap

Der Stellvertreter von Präsident Barack Obama müsste in seinem dritten Anlauf das Feld von hinten aufrollen. Ex-Außenministerin Clinton hat sich eine beeindruckende Kriegsrüstung zugelegt: Sie verfügt über ein gewaltiges und breit aufgestelltes Wahlkampfheer, gilt seit mehr als einem Jahr als längst ausgemachte Kandidatin. Nach ihrer Niederlage gegen Obama im Jahr 2008 sei es für sie nun an der Zeit, erste Präsidentin der USA zu werden - so eine weit verbreitete Meinung.

Clintons Umfragewerte sinken

Doch Clinton wird den Skandal um die Nutzung privater E-Mailkonten während ihrer Zeit als Außenministerin nicht los. Ihre Beliebtheit und Glaubwürdigkeit sinkt. Der liberale Senator Bernie Sanders, der sich selbst als demokratischen Sozialisten charakterisiert und sich ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewirbt, hat davon schon kräftig profitiert. Und die Republikaner, die selbst alles andere als geschlossen sind, setzen auf einen erbarmungslosen "Alles außer Clinton"-Wahlkampf.

Der eher linksgerichtete Sanders wäre für die Demokraten nur schwer und für die gesamte Bevölkerung noch viel schwerer mehrheitsfähig. Vizepräsident Biden könnte also in die Bresche springen und sich als Sicherheitsnetz für eine Partei anbieten, die fürchtet, ihrer bisherigen Hoffnungsträgerin könne die Puste ausgehen.

Obama lobt Biden als Stellvertreter

Wird er oder wird er nicht? Die Spekulation wurde angeheizt, als Obamas Sprecher Josh Earnest jüngst die hohe Wertschätzung des Präsidenten für seinen Vize zum Ausdruck brachte. Obama finde, seine Entscheidung, Biden in seinem ersten Wahlkampf als seinen Stellvertreter zu nominieren, sei "die klügste Entscheidung gewesen, die er je in der Politik gemacht hat". Dadurch werde Obamas Antwort auf die Frage, ob Biden für den Präsidentenjob geeignet sei, wohl hinlänglich klar, sagte Earnest.

CNN zitierte eine Quelle bei den Demokraten, wonach Obama Biden seinen Segen für eine Bewerbung gegeben habe. Der Nachrichtensender will überdies erfahren haben, dass Biden Anfang der Woche die früheren Obama-Berater Anita Dunn und Bob Bauer in seinem Haus empfing.

Biden will sich bis Ende Sommer festlegen

Dem Onlineportal RealClearPolitics zufolge liegt Clinton in Umfragen bei 49 Prozent - gegenüber zwölf Prozent für Biden. Eine Umfrage der Quinnipiac-Universität in drei Staaten mit unklaren Mehrheiten zeigte dagegen, dass Biden und Clinton bei einer Präsidentschaftswahl die gleichen Chancen hätten, den derzeitigen republikanischen Favoriten Donald Trump zu schlagen.

Der Mann im Zentrum all der Mutmaßungen will sich erst Ende des Sommers, also in einem Monat festlegen. Eine der Fragen, mit denen er sich beschäftigt, wird wohl sein, ob sich die Familie, die vor wenigen Wochen den Krebstod von Bidens Sohn Beau verkraften musste, die Belastungen einer Kandidatur wirklich zumuten will.

Sollte Biden tatsächlich seinen Hut in den Ring werfen, müsste er sich rasch mächtig ins Zeug legen. Zwar beginnen die Primaries, die Vorwahlen innerhalb der Parteien, erst im Februar. Die erste Debatte unter den demokratischen Anwärtern ist aber schon für den 13. Oktober angesetzt.

(AFP)
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