Jerusalem als Israels Hauptstadt Donald Trump geht ohne Not ein enormes Risiko ein

Meinung · In einer international höchst umstrittenen Entscheidung hat US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel anerkannt. Es ist nicht der erste Alleingang seiner Präsidentschaft – aber der mit Abstand gefährlichste.

 Präsident Donald Trump präsentiert seine gewohnt überdimensionale Unterschrift unter der Erklärung. Im Hintergrund Vize-Präsident Mike Pence.

Präsident Donald Trump präsentiert seine gewohnt überdimensionale Unterschrift unter der Erklärung. Im Hintergrund Vize-Präsident Mike Pence.

Foto: ap, EV

In einer international höchst umstrittenen Entscheidung hat US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel anerkannt. Es ist nicht der erste Alleingang seiner Präsidentschaft — aber der mit Abstand gefährlichste.

Der amerikanische Präsident scheint Gefallen am Alleingang zu finden. Es scheint sein Ego zu beflügeln, wenn er gegen den Strich bürsten, Tabus brechen, Freunde und Verbündete in aller Welt vor den Kopf stoßen kann. Er scheint Genugtuung zu empfinden, wenn er einen Sprengsatz ins Gebäude jenes Washingtoner Establishments schleudern kann, das er voller Lust an Zerrbildern als einen Sumpf charakterisiert, in dem Korruption, Inkompetenz und die Unfähigkeit zu deutlicher Sprache blühen.

Der womöglich folgenschwere Solo-Ritt in Sachen Jerusalem passt in dieses Schema. Donald Trump hat sich vom Pariser Klimaabkommen losgesagt, weil es den Spielraum der amerikanischen Industrie angeblich einengt. Er hat die transpazifische Handelspartnerschaft aufgekündigt, weil er multilaterale Abmachungen nicht zu schätzen weiß, und damit China, das bei dem Pakt außen vor geblieben war, eine Steilvorlage geliefert. Indem er Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennt, indem die USA als einzige Nation der Welt ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen wollen, schießt er ein weiteres Eigentor. Er schreibt ein weiteres Kapitel Symbolpolitik, das den Interessen seines Landes nur schadet.

Nicht einmal Trump wird ernsthaft behaupten wollen, dass sich Amerika in der Rolle des ehrlichen Maklers nahöstlicher Friedensgespräche profiliert, wenn es die Palästinenser derart vor den Kopf stößt. Jeder weiß, wie viele Fallstricke in einer Stadt lauern, die Christen, Juden und Muslimen gleichermaßen heilig ist. Wenn es einen Ort gibt, an dem das Gebot höchster Umsicht zu gelten hat, dann ist es dieser. Es hat schließlich Gründe, dass es Trumps Amtsvorgänger — auch ein so israelfreundlicher wie George W. Bush - tunlichst vermieden, die amerikanische Botschaft dort anzusiedeln. Es war der Zankapfel Jerusalem, an dem im Jahr 2000 die bislang aussichtsreichsten Nahostverhandlungen scheiterten, als sich Ehud Barak und Jassir Arafat unter der Ägide Bill Clintons an einer Konfliktregelung versuchten.

Mag Trump auch argumentieren, dass sein Beschluss ja nicht vorwegnimmt, wie Israelis und Palästinenser den Streitfall dereinst entscheiden: Das Signal, das er setzt, hat die Wirkung einer Zündschnur, die er an ein Pulverfass legt. Bleibt die Frage, warum er das tut. Seine Anhänger, evangelikale Christen eingeschlossen, würden ihm sicher verzeihen, wenn er sein Wahlversprechen nicht eingelöst hätte. Bei aller Emotionalität, Jerusalem ist kein Thema, das sie wirklich auf Distanz zu ihrem Helden gehen ließe. Vielleicht versucht das Weiße Haus einfach zu testen, wie die arabische Welt auf den Schritt reagiert. Die wichtigsten arabischen Partner, Ägypten und Saudi-Arabien, so das Kalkül an der Pennsylvania Avenue, wollen und können es nicht riskieren, Washington die kalte Schulter zu zeigen. Und das Eintreten für die Rechte der Palästinenser hat sich in Kairo und Riad ohnehin meist auf Lippenbekenntnisse beschränkt.

Vielleicht ist es wirklich so, dass Trump einen Versuchsballon startet, um zu sehen, wie weit er gehen kann. Es ändert nichts an dem enormen Risiko, das er damit in Kauf nimmt. Und dies ganz ohne Not.

(FH)
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