Ministerpräsident unter Verdacht Israels Polizei empfiehlt Anklage gegen Benjamin Netanjahu

Jerusalem · Nach gut einjährigen Ermittlungen hat Israels Polizei nach Medienberichten eine Anklage wegen Korruption gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu empfohlen. Es sollen ausreichend Beweise für Bestechlichkeit und Untreue in zwei Fällen gesammelt worden sein.

 Benjamin Netanjahu (Archivbild).

Benjamin Netanjahu (Archivbild).

Foto: dpa, AB hel wst

Das berichten israelische Medien am Dienstag übereinstimmend unter Berufung auf die Polizei. Eine endgültige Entscheidung über eine Anklage muss die Staatsanwaltschaft fällen. Netanjahu hat wiederholt seine Unschuld beteuert. Vertraute haben betont, der Regierungschef werde auch im Fall einer Anklageerhebung nicht zurücktreten.

Der Regierungschef steht wegen der Korruptionsermittlungen seit langem unter Druck. Nach Medienberichten soll der befreundete israelische Hollywood-Produzent Arnon Milchan dem Regierungschef und seiner Frau Sara über Jahre Zigarren und Champagner im Wert von mehreren Hunderttausend Schekel (vier Schekel sind ein Euro) geliefert haben. Es handelte sich demnach um illegale Schenkungen. Im Gegenzug soll Netanjahu etwa Milchan dabei geholfen haben, ein neues US-Visum zu erhalten.

Außerdem soll Netanjahu versucht haben, unrechtmäßig Einfluss auf die Medienberichterstattung zu nehmen. Dabei soll er sich darum bemüht haben, sich in einem Deal mit einem Medienmogul eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung "Jediot Achronot" zu sichern. Die Polizei empfehle auch, Anklage gegen Milchan und den Zeitungsherausgeber zu erheben, berichtete das israelische Fernsehen.

Bei wöchentlichen Protesten hatten bis zu Zehntausende Demonstranten den Rücktritt des Regierungschefs gefordert. Netanjahu weist aber alle Vorwürfe als "Hexenjagd" gegen ihn zurück. Zudem wies er die Korruptionsvorwürfe gegen ihn als "absurd" zurück. "Ich bin sicher, dass die Wahrheit ans Licht kommen wird", sagte Netanjahu am Dienstag in Jerusalem zu den Medienberichten.

Netanjahu sagte, er hoffe auf einen Sieg auch bei den nächsten Wahlen in Israel. "Ich spüre die tiefe Verpflichtung, Israel weiter zu führen", betonte der Regierungschef. Ihn interessiere ausschließlich das Wohl des Landes.

Als Oppositionsführer hatte Netanjahu 2008 den damaligen Regierungschef Ehud Olmert zum Rücktritt gedrängt, als dieser unter Korruptionsverdacht stand.

Die Korruptionsvorwürfe hatten damals Olmerts politische Karriere beendet. Er musste 2008 zurücktreten, blieb aber noch bis zu Neuwahlen im Frühjahr 2009 im Amt. Im selben Jahr erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn. Nach einer Verurteilung trat Olmert im Februar 2016 eine 19-monatige Haftstrafe an, kam allerdings drei Monate früher wieder auf freien Fuß.

Bereits während Netanjahus erster Amtszeit als Regierungschef hatte die Polizei der Staatsanwaltschaft 1997 empfohlen, ihn wegen Betrugs und Vertrauensbruchs anzuklagen. Der Generalstaatsanwalt entschied sich jedoch damals mangels stichfester Beweise dagegen.

Auch gegen Netanjahus Frau Sara laufen Ermittlungen wegen Missbrauchs von Staatsgeldern und Betrugs. Es geht dabei nach Angaben des Justizministeriums um den Verdacht, Netanjahu habe private Essen auf Staatskosten abgerechnet. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben auf umgerechnet rund 85.000 Euro. Benjamin Netanjahu hatte auch diese Vorwürfe zurückgewiesen.

(felt)
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