Icesave-Pleite Isländer lehnen Entschädigung deutlich ab

Reykjavik (RPO). Mit einer überwältigenden Mehrheit haben die Isländer Entschädigungszahlungen an Großbritannien und die Niederlande wegen der Pleite der Bank Icesave abgelehnt. Die Isländer stellen sich damit gegen die eigene Regierung. Nun steht die Bonitätsbewertung des Landes als Schuldner auf dem Spiel.

 Außenminister Össur Skarphéðinsson hatte sich für die Entschädigungszahlung ausgesprochen.

Außenminister Össur Skarphéðinsson hatte sich für die Entschädigungszahlung ausgesprochen.

Foto: AFP, AFP

Wie am Sonntag mitgeteilt wurde, stimmten nach Auszählung fast aller Stimmen 93,5 Prozent gegen die Zahlung von 3,9 Milliarden Euro. Die EU, die Niederlande und Großbritannien erklärten zurückhaltend, die Abstimmung sei Sache der Isländer.

Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen billigten bei dem Referendum am Samstag nur 1,8 Prozent der Teilnehmer das Entschädigungsgesetz. 93,5 Prozent lehnten es ab. Das vom Parlament mit knapper Mehrheit verabschiedete Gesetz sah eine schrittweise Rückzahlung von 3,9 Milliarden Euro an die Regierungen in London und Den Haag bis 2024 vor. Sie hatten mehr als 300.000 ihrer Bürger mit dieser Summe für den Verlust ihrer Spareinlagen durch die Icesave-Pleite im Oktober 2008 entschädigt. Der Betrag entspricht mehr als einem Drittel von Islands jährlicher Wirtschaftsleistung.

Es war die erste Volksabstimmung in Island seit dessen Unabhängigkeit 1944. Von den rund 230.000 Stimmberechtigten nahmen gut 62 Prozent teil. Die Ablehnung der Entschädigungszahlungen war erwartet worden.

Der isländische Präsident Olafur Ragnar Grimsson hatte das von ihm angesetzte Referendum am Samstag mit der Überzeugung verteidigt, "dass Sie sich bei der Wahl zwischen der Demokratie und den Finanzmärkten für die Demokratie entscheiden müssen". Am Sonntag erklärte er, nun müsse der britische Premierminister Gordon Brown "die Initiative ergreifen" und damit "eine Lösung sicherstellen, die alle akzeptieren müssen".

Die isländische Regierung maß dem Referendum wenig Gewicht bei. Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir und ihr Finanzminister Steingrimur Sigfusson hatten angekündigt, nicht an der Abstimmung teilzunehmen, da sie mit London und Den Haag bereits über ein günstigeres Abkommen verhandelten. "Nach diesem Referendum ist es unsere Aufgabe, diese Verhandlungen abzuschließen", erklärte Sigurdardottir nach Veröffentlichung der ersten Abstimmungsergebnisse. Nach Einschätzung von Beobachtern steht die Regierung durch das Abstimmungsergebnis noch stärker unter Druck.

Der britische Finanzminister Alistair Darling sagte am Sonntag der BBC, er sei bereit, in den Verhandlungen "flexibel" zu sein. Sein Ministerium erklärte, die Volksabstimmung sei eine innere Angelegenheit Islands. Laut britischen Medien hat London als Kompromiss ein zweijähriges Einfrieren der Zinszahlungen und einen geringeren Zinssatz für die ausbleibenden Entschädigungszahlungen angeboten.

Bereits am Samstagabend hatte auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager erklärt, das Referendum sei "eine interne Angelegenheit Islands". Zugleich äußerte er sich enttäuscht, dass das Entschädigungsabkommen noch nicht in Kraft gesetzt worden sei.

Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, bei dem Referendum und den EU-Beitrittsverhandlungen mit Island handele es sich aber um "zwei voneinander getrennte Prozesse". Es wird allerdings spekuliert, dass die Niederlande und Großbritannien sich gegen einen EU-Beitritt stellen könnten.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wollte das Referendum am Samstagabend nicht kommentieren. Finanzexperten gehen davon aus, dass der IWF wegen des Ausgangs der Volksabstimmung seine Darlehensauszahlungen an Island verzögern könnte.

(AFP/sdr)
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