Acht tote Deutsche in Istanbul Islamischer Staat nimmt Touristen ins Visier

Istanbul · Ein 28-jähriger Islamist sprengte sich mitten in einer Reisegruppe in der Nähe der weltberühmten Hagia Sophia in die Luft. Mindestens zehn Menschen starben, darunter acht Deutsche. Der Täter riss offenbar gezielt ausländische Touristen mit in den Tod.

Bei einem Selbstmordanschlag in der bei Touristen aus aller Welt beliebten Altstadt von Istanbul sind am Dienstsg laut Behördenangaben mindestens zehn Menschen getötet worden. Darunter befinden sich acht Deutsche, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte. Ein Toter kommt aus Peru. Neun Deutsche wurden zum Teil schwer verletzt. Die Gesamtzahl der Verletzten liegt bei 15, teilten die Istanbuler Behörden mit. Unter den toten Deutschen sind mehrere Touristen eines Berliner Reiseunternehmens.

"Die schrecklichen Ereignisse des heutigen Tages machen uns tief betroffen", sagte der Geschäftsführer der Lebenslust Touristik GmbH Berlin, Marco Scherer.

Einem "Bild"-Bericht zufolge soll es sich um eine 33-köpfige Reisegruppe handeln. Die Urlauber seien demnach aus Düsseldorf, Berlin und Frankfurt am Main nach Istanbul gereist. Am Mittwoch sollte die Gruppe ihre Reise nach Dubai fortsetzen. Näheres über die Opfer wurde am Dienstagabend nicht bekannt.

Nach Angaben der türkischen Regierung wurde der Anschlag von einem 28-jährigen Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verübt. Es handelt sich dabei um einen syrischen Staatsbürger.

Die Detonation um 10.20 Uhr Ortszeit (9.20 Uhr MEZ) auf dem Hippodrom vor der Blauen Moschee war so stark, dass der Knall noch in mehreren Kilometern Entfernung zu hören war. Die Umgebung der Blauen Moschee mit dem Hippodrom ist eine der meistbesuchten Gegenden von Istanbul. Die weltberühmte Hagia Sophia und der osmanische Topkapi-Palast liegen ganz in der Nähe. Die allermeisten der mehr als zehn Millionen Touristen, die jedes Jahr Istanbul besuchen, statten dieser Gegend einen Besuch ab.

Tote Deutsche bei Anschlag in Istanbul: Pressestimmen
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"Verunsicherung hat die ganze Welt ergriffen"

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Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Die Polizei riegelte nach dem Anschlag das Hippodrom weiträumig ab, während Bombenexperten nach weiteren Sprengsätzen suchten und Rettungswagen die Verletzten in die Krankenhäuser brachten. Augenzeugen berichteten, die Bombe sei so stark gewesen, dass sie Menschen regelrecht zerrissen hätte.

Außenminister Steinmeier sprach von "Stunden der Trauer, der Wut und des Entsetzens". Seit vielen Jahren habe der Terror "uns Deutsche nicht mehr so schwer getroffen wie heute in Istanbul", sagte Steinmeier. Zugleich versicherte er: "Wir dürfen und werden uns von Mord und Gewalt nicht einschüchtern lassen. Im Gegenteil: Gemeinsam mit unseren Partnern auf der Welt werden wir dem Terror auf allen Ebenen entgegentreten."

Das Bundeskabinett traf sich am Abend zu einem Sondertreffen wegen der Anschläge. In einem Telefonat sprach der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu Bundeskanzlerin Angela Merkel sein Beileid und Bedauern aus. "Meine Gedanken sind in diesen Stunden natürlich bei den Angehörigen der Opfer und bei den Verletzten", sagte die Kanzlerin. Den Attentätern von Istanbul sagte sie einen entschlossenen Kampf an. Die Terroristen seien Feinde aller freien Menschen und "aller Menschlichkeit". Nicht vergessen werden dürfe dabei die Türkei, die immer wieder zum Ziel des Terrors werde. Bundespräsident Joachim Gauck reagierte bestürzt auf das Selbstmordattentat. "Wieder wurden bei einem hinterhältigen terroristischen Anschlag unschuldige Menschen ermordet, darunter viele Deutsche", sagte das Staatsoberhaupt in einer Erklärung. Das Auswärtige Amt richtete einen Krisenstab ein und sprach eine Reisewarnung für die Türkei aus.

Acht tote Deutsche bei Terroranschlag in Istanbul
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Tote Deutsche bei Terroranschlag

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Foto: ap, TS

Der Anschlag galt offenbar gezielt Touristen. Ob der Attentäter es speziell auf Deutsche abgesehen hat, war zunächst nicht klar. Sicherheitskreise in Berlin hatten dazu keine Hinweise. Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Davutoglu sprachen von einer Täterschaft des IS und wiesen Berichte zurück, der Täter sei den Sicherheitsbehörden vorher schon bekannt gewesen. Regierungssprecher Numan Kurtulus sagte, der Täter sei erst kürzlich über die syrische Grenze in die Türkei gekommen. Bei Anschlägen des IS in der Türkei waren im vergangenen Jahr mehr als 130 Menschen ums Leben gekommen. Die Gewalttat war allerdings das erste Mal, dass die Terroristen auf ausländische Touristen zielten. Nach dem Anschlag verhängte die türkische Regierung eine Nachrichtensperre. Zur Begründung teilte die Medienaufsicht mit, ein solcher Schritt sei laut Gesetz möglich, wenn er der "nationalen Sicherheit" diene.

Ministerpräsident Davutoglu kündigte zudem an, den IS von der türkisch-syrischen Grenze ins Hinterland abdrängen zu wollen. Die türkische Grenze ist für den IS für die Versorgung mit Nachschub und neuen Kämpfern wichtig. In der Vergangenheit waren immer wieder Gerüchte aufgekommen, türkische Geheimdienste hätten Kontakte zum IS. Der russische Präsident Wladimir Putin war Erdogan und seiner Familie vor, von Öllieferungen des IS profitiert zu haben. Zweifelsfreie Belege konnten die russischen Stellen indes nicht vorlegen.

(RP)
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