Militärische Intervention in Syrien Den USA fehlt das Konzept nach dem Luftschlag gegen Assad

Wenn der US-Präsident einen Krieg beginnt, üben die beiden großen Parteien Amerikas zumeist den Schulterschluss. Zumindest im ersten Moment, als wären es eingespielte Reflexe. Diesmal könnte es anders sein.

USA feuern Raketen auf Militärbasis in Syrien
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USA feuern Raketen auf syrische Militärbasis

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Foto: ap, Oscar Sosa

Abgesehen davon, dass im Augenblick niemand genau weiß, ob Donald Trump in Syrien einen Krieg begann, seinen eigenen, oder nur eben mal seine Macht demonstrierte: Nach dem nächtlichen Angriff auf die Luftwaffenbasis Al-Shayrat war er nur von kurzer Dauer, der patriotische Schulterschluss zwischen Demokraten und Republikanern. Es dauerte nicht lange, bis Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?

Sehe man den Raketenschlag nur für sich, als Antwort auf eine barbarische Giftgasattacke, sei dagegen nicht viel einzuwenden, schreibt der Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus dem Neuenglandstaat Connecticut, in einem Essay. Nur könne man eine Militäraktion eben nie isoliert sehen, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll. Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Politik des Weißen Hauses, falle die Scheinheiligkeit auf, mit der sie begründet wurde. Trump behaupte, er habe den Angriffsbefehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. "Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?", fragt Murphy unter Anspielung auf die zweimal vor Gericht gescheiterte Einreisesperre für Bürger aus sechs - anfangs sieben - muslimisch geprägten Staaten. Indem Trump überhaupt keine Flüchtlinge aus Syrien mehr aufnehmen wolle, verurteile er eine viel größere Zahl an Kindern zum Tode, als in Chan Scheichun ums Leben gekommen seien.

Schwere Kritik am Übergehen des Kongresses

Es ist nicht so, dass Murphy damit so etwas die Stimme der Demokraten wäre. Viele auf den Oppositionsbänken halten es eher mit Chuck Schumer, dem Fraktionschef der Partei im Senat, der Trump bescheinigt, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betont, dass dem Angriff auf die Luftwaffenbasis schnellstens eine breiter angelegte Strategie zur Beendigung des Bürgerkriegs folgen müsse. Tim Kaine, 2016 an Clintons Seite Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, stellt Verfassungsfragen heraus, ohne die Cruise-Missile-Attacke an sich abzulehnen. Nur für den Fall, dass den USA akute Gefahr drohe, gegen die der Staatschef das Land verteidigen müsse, könne Letzterer ohne grünes Licht des Parlaments zu militärischen Mitteln greifen, sagt Kaine. Von Syrien aber sei keine akute Gefahr für die Nation ausgegangen, ergo hätte Trump die Legislative nicht übergehen dürfen: "Es ist der Kongress, nicht der Präsident, der Kriege erklärt".

Was danach kommt? Die Frage, schnell in den Fokus der Debatte gerückt, beantwortet die Administration einstweilen mit verwirrender Kakophonie. Nikki Haley, die UN-Botschafterin, die sich zusehends als Sprachrohr republikanischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von "Regime Change" in Damaskus, obwohl sie genau das eine Woche zuvor noch so gut wie ausgeschlossen hatte. Solange Baschar al-Assad an der Macht sei, sei eine politische Lösung nicht möglich, sagte sie am Sonntag in einem CNN-Interview. "Wenn Sie sich anschauen, was er tut, ist es schwer, sich eine friedliche und stabile Regierung mit Assad vorzustellen. Ein Regimewechsel ist etwas, was unserer Ansicht nach passieren wird."

Außenminister Rex Tillerson, parallel zu Haley in einer zweiten Talkshow auftretend, unterstrich seinerseits, dass der Kampf gegen den "Islamischen Staat" nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.

Das Konzept fehlt

Irgendwann in den nächsten Wochen oder Monaten rechnen die Amerikaner mit dem Fall der IS-Hochburg Al-Raqqa. Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht, nicht als Beginn eines groß angelegten Bombardements. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, sagte er am Sonntag, könne man sich der Stabilisierung der Lage in Syrien widmen. Allerdings hat Trumps Chefdiplomat unmittelbar vor dem Angriff auf das Flugfeld Al-Shayrat auch schon härtere Töne angeschlagen: Assad dürfe in der Regierung keine Rolle mehr spielen, war noch vor drei Tagen von ihm zu hören.

So etwas wie ein Konzept lässt sich angesichts der rhetorischen Sprünge kaum erkennen. Robert Ford, einst US-Botschafter in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtung des syrischen Diktators hinarbeitet. Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990er Jahre erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office regierend, habe ab und an Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruckt hätte. "Saddam hat sich zu keinem Zeitpunkt geändert, es ging einfach so weiter, wie es vorher war."

(fh)
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