Türkei Polizei nimmt Chefs der Kurdenpartei HDP fest - Tote bei Explosion

Istanbul · Der türkische Präsident Erdogan setzt die Opposition massiv unter Druck. In der Nacht wurden die beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen Partei HDP festgenommen. Kurz darauf gab es eine schwere Explosion mit Toten. In Ankara setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein.

Demirtas und Yüksekdag wurden von der Polizei festgenommen

Demirtas und Yüksekdag wurden von der Polizei festgenommen

Foto: rtr, MS/DN

Türkische Sicherheitskräfte haben die beiden HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag im Zuge von Terrorermittlungen festgenommen. Das berichtete der staatliche türkische Sender TRT. Die beiden gehören zu zahlreichen HDP-Abgeordneten im türkischen Parlament, deren Immunität im vergangenen Mai auf Betreiben des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgehoben worden war.

Demirtas wurden den Berichten zufolge in Diyarbakir festgenommen, Yüksekdag in der Hauptstadt Ankara. Den beiden wird von der Staatsanwaltschaft die Verbreitung terroristischer Propaganda vorgeworfen. Sie seien festgenommen worden, nachdem sie sich geweigert hätten, zur Vernehmung bei den Ermittlern zu erscheinen, teilten die Behörden in der Nacht mit.

Eine Pressekonferenz in der HDP-Parteizentrale in Ankara verhinderte die Polizei am Morgen. Diese lasse Journalisten auch mit dem Presseausweis der Regierung nicht durch die Absperrungen an der Zentrale, berichteten mehrere Reporter vor Ort. Proteste gegen die Festnahmen löste die Polizei mit Tränengas auf und nahm Demonstranten fest. In den Kurdengebieten in der Südosttürkei und in anderen Regionen sperrten die Behörden in der Nacht den Zugang zu sozialen Medien. In der Millionenmetropole Istanbul war zeitweise das mobile Internet per Handy nicht zu erreichen.

HDP: Polizei nimmt Demirtas und Yüksekdag fest - Tote bei Explosion
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Im südosttürkischen Diyarbakir kam es kurz nach den Festnahmen zu einer schweren Explosion in der Nähe des Polizeihauptquartiers. Mindestens acht Menschem kam ums Leben, mehr als hundert weitere verletzt. Der türkische Regierungschef Binali Yildirim machte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für den Autobombenanschlag auf das Polizeihauptquartier in der Kurdenmetropole verantwortlich. Unter den Todesopfern seien zwei Polizisten. Die PKK habe "erneut ihr perfides Gesicht" gezeigt und ein Auto "voll mit Sprengstoff" zur Explosion gebracht.

Der mehrheitlich kurdische Südosten der Türkei kommt seit dem Ende eines Waffenstillstands zwischen der PKK und der Armee im Juli 2015 nicht mehr zur Ruhe. Seither wurden mehr als 600 Mitglieder der Sicherheitskräfte und mehr als 7000 PKK-Kämpfer getötet.

HDP: Polizei nimmt Demirtas und Yüksekdag fest - Tote bei Explosion
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In mehreren deutschen Städten versammelten sich nach den Verhaftungen noch in der Nacht spontan hunderte Kurden zu Protestkundgebungen. Nach Angaben der Polizei waren die Menschen aufgebracht, verhielten sich aber friedlich.

Der Sprecher der kurdischen Partei DBP, dem kommunalen Ableger der HDP, teilte mit, neben Demirtas und Yüksekdag seien sieben weitere HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Darunter sei Ferhat Encu, dem am Donnerstag die Ausreise aus der Türkei verweigert worden war. Die Staatsagentur Anadolu veröffentlichte eine Erklärung des Innenministeriums, nach der insgesamt elf HDP-Vertreter festgenommen worden seien, gegen vier weitere Angeordnete gebe es Haftbefehle.

"Die Polizeibeamten stehen vor meinem Haus in Diyarbakir mit dem Beschluss, mich gewaltsam in Gewahrsam zu nehmen", twitterte Demirtas kurz vor seiner Festnahme. In den sozialen Medien wurden trotz erschwerten Zugangs Livevideos von den Festnahmen und anschließenden Hausdurchsuchungen gezeigt. Die HDP verbreitete über den Dienst Periscope zudem ein Video, dass eine Polizeirazzia in der HDP-Zentrale in Diyarbakir zeigen soll.

Erdogan hält die HDP für das Sprachrohr der verbotenen PKK im Parlament. In den vergangenen Wochen hatte die türkische Regierung bereits in mehr als zwei Dutzend kurdischen Gemeinden die Bürgermeister durch Zwangsverwalter ersetzt.

Nach seiner nächtlichen Festnahme ist gegen Demirtas Untersuchungshaft in der Türkei verhängt worden. Ein Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakir habe am Freitag Haftbefehl erlassen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

(crwo/isw/dpa)
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