"Global Slavery Index" In Deutschland leben 14.500 moderne Sklaven

Perth/Düsseldorf · Sklaverei ist kein Phänomen vergangener Jahrhunderte, sondern hochaktuell. Aktuell leben in 167 Ländern der Welt knapp 46 Millionen Menschen als moderne Sklaven - auch in Deutschland. Das zeigt der "Global Slavery Index".

 Prostitution ist teils ein problematisches Geschäft in Deutschland.

Prostitution ist teils ein problematisches Geschäft in Deutschland.

Foto: dpa

Moderne Sklaverei ist ein weiter Begriff. Mit schweren Ketten und Peitschenhieben hat er in den meisten Fällen nichts zu tun - sondern vor allem mit Abhängigkeitsverhältnissen und Menschen, die ausgenutzt werden. Die australische Organisation "Walk Free Foundation" definiert in ihrem Index als moderne Sklaverei alle Situationen, in denen Menschen die Kontrolle über ihren Körper oder über die Art ihrer Arbeit entzogen wird. Dafür geben die Macher konkrete Beispiele.

Das Land unter dem Diktat von Machthaber Kim Jong Un ist für seine kritische Menschenrechtslage bekannt. Nordkorea hat aber laut Index auch den höchsten Anteil moderner Sklaven an der Bevölkerung weltweit. Er liegt bei 4,4 Prozent, damit gelten 1,1 Millionen Bürger in dem Land als versklavt.

Beispiel: Ungefähr 50.000 Nordkoreaner sind laut dem Index vom Staat als Zwangsarbeiter in andere Länder geschickt worden, nach China und Russland, aber wohl auch nach Kambodscha oder Katar. Nordkorea verdient daran gut, und zwar laut dem Bericht um die 2,3 Milliarden Dollar im Jahr. Die Arbeiter haben davon aber fast nichts. Sie verdienen demnach zwischen 120 und 150 Dollar im Monat, ein Arbeitstag hat bis zu 20 Stunden.

Nicht mit Nordkorea zu vergleichen, aber trotzdem ein Fleck auf der Landkarte des "Global Slavery Index" ist Deutschland. Hierzulande leben demnach 14.500 moderne Sklaven, ein Bevölkerungsanteil von 0,018 Prozent. Das mag wenig erscheinen, trotzdem gibt es Hinweise auf moderne Sklaverei in gleich mehreren Bereichen.

Der Index nennt etwa Zwangsheirat als eine Form der modernen Sklaverei hierzulande. In ganz Europa werde dieses Problem in der Forschung vor allem mit Einwanderung und der zunehmenden Vielfalt an Kulturen in Verbindung gebracht, heißt es in dem Bericht. Auch Zwangsprostitution wird genannt, wobei vor allem russische Frauen betroffen seien, die in Deutschland aufgegriffen worden sind.

Generell stünden bei der modernen Sklaverei in Europa aber sexueller Missbrauch und Zwangsarbeit ganz vorne, wobei Deutschland hier nicht explizit genannt wird. Ein Beispiel: Die große Zunahme von Flüchtlingen belaste die Systeme in ganz Europa, damit würden Sicherheitsmechanismen nicht immer greifen. Das würden Kriminelle ausnutzen. So seien um die 10.000 Kinder, die als Flüchtlinge in Europa angekommen seien, nicht mehr auffindbar. Nicht alle davon sind wohl in eine Form moderner Sklaverei gerutscht, sie seien aber ein leichtes Ziel.

Das Land östlich vom Kaspischen Meer belegt Platz zwei in der Negativliste des "Global Slavery Index". Rund 1,24 Millionen Menschen sind hier laut dem Bericht in irgendeiner Form versklavt, das sind knapp vier Prozent der Bevölkerung.

Beispiel: Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als eine Million Menschen in Usbekistan in der Baumwollindustrie arbeiten. Doch das tun offenbar nicht alle freiwillig. Es gibt Hinweise auf Drohungen gegenüber den Mitarbeitern: Kündigung, Strafzahlungen, Einschüchterung durch die Polizei, Enteignung. Zwangsarbeit ist laut dem Index ein großes Problem in dem Land.

Aufforderung zum Handeln

Die Zahlen des "Global Slavery Index" liegen deutlich höher als noch im vergangenen Jahr. Während heute 45,8 Millionen moderne Sklaven gezählt werden, waren es 2015 noch 35,8 Millionen. Die Autoren der Studie geben jedoch an, der Zuwachs sei größtenteils auf bessere Recherchebedingungen und -qualität zurückzuführen. In Indien gibt es nach der Studie mit 18,3 Millionen Menschen die meisten Betroffenen.

Die "Walk Free Foundation" verbindet ihren Index mit einer konkreten Forderung an die zehn größten Wirtschaftsnationen. Diese müssten das Problem der modernen Sklaverei auf die Tagesordnung setzen. Dafür bräuchte es wirksame Gesetze und Transparenz für die Lieferkette aller Produkte, Güter und Dienstleistungen, die ins Land gelangen. "Unternehmen, die nicht aktiv Zwangsarbeit in ihren Lieferketten in den Blick nehmen, stehen auf einem brennenden Podest", verdeutlicht Andrew Forrest, Chef und Gründer der Stiftung, seinen Appell.

Mit Material von dpa.

(hebu)
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