Kraftprobe in Frankreich Generalstreik setzt Sarkozy unter Druck

Paris (RPO). Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy steht im eigenen Land zunehmend unter Druck. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr haben die Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufgerufen, um Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise zu erzwingen. Doch die Regierung will hart bleiben. Unterdessen wächst die Nervosität in Sarkozys Partei.

Generalstreik: Kraftprobe in Frankreich
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Die Konjunkturkrise ist auch im Land des Savoir-vivre angekommen: Schrumpfende Wirtschaft und steigende Arbeitslosenzahlen machen Frankreich zu schaffen. Doch die Regierung tut zu wenig - meinen Demonstranten und Bevölkerung.

Der daraus resultierende Protest gegen die Wirtschaftspolitik der konservativen Regierung legte das Land am Donnerstag weitgehend lahm: Rund die Hälfte der Züge blieb im Depot. Die Türen zahlreicher Schulen, Kindergärten und Behörden blieben geschlossen, an Krankenhäusern gab es nur eine Notversorgung. Auch die Mitarbeiter vieler von der Krise betroffener Unternehmen wollten die Arbeit niederlegen.

Über zwei Millionen Teilnehmer

Begünstigt durch strahlenden Sonnenschein über dem ganzen Land rechneten die Gewerkschaften mit einer noch höheren Beteiligung als beim ersten Generalstreik am 29. Januar, als bis zu 2,5 Millionen Menschen auf die Straßen gezogen waren. Der Staatschef hatte darauf mit einem 2,6 Milliarden Euro schweren Paket von Steuererleichterungen für Geringverdiener und Zuschüssen für kinderreiche Familien reagiert. Den Gewerkschaften geht dies nicht weit genug, sie verlangen eine Anhebung des Mindestlohns, mehr Unterstützung für Arbeitslose und die Rücknahme geplanter Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst.

In den vergangenen Wochen ist es bereits mehrfach zu gewaltsamen Protesten gegen Werksschließungen gekommen. Dabei richtet sich die Wut in Frankreich nicht nur gegen die Unternehmen, sondern gegen den Staat, der aus Sicht der Demonstranten seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Die Bevölkerung steht mit 78 Prozent fast geschlossen hinter den Gewerkschaften. 62 Prozent halten die bisherigen Antworten der Regierung auf die Krise für schlecht.

Nervosität im konservativen Lager

Sarkozy, der am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel weilt, ist trotz des verheerenden Zeugnisses bislang gelassen geblieben. Das liegt auch daran, dass die oppositionellen Sozialisten in keiner Weise vom Zorn gegen den Präsidenten profitieren. Zum politischen Sprachrohr der Unzufriedenen hat sich der trotzkistische Expräsidentschaftskandidat Olivier Besancenot gemacht. Der Postbote und Chef der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) ist zu einem der populärsten Politiker im linken Lager aufgestiegen.

Einen kleinen Denkzettel erhielt Sarkozy in der Abstimmung um die vollständige Rückkehr Frankreichs in die Nato. Mehrere Abgeordnete der eigenen Partei verweigerten "Speedy Sarko" die Gefolgschaft. Ein Volksvertreter seiner UMP-Partei stimmte bei der am Dienstagabend in der Nationalversammlung gestellten Vertrauensfrage gegen die Regierung, zehn weitere enthielten sich. Wird bei den Enthaltungen Parlamentspräsident Bernard Accoyer abgezogen, der sich wegen seiner Funktion traditionell enthält, bleiben zehn Protestwähler im Sarkozy-Lager.

Entwicklung einer Protestbewegung?

Trotz der momentanen Kraftprobe ist Sarkozy derzeit nicht ernsthaft in Bedrängnis. Ob sich aus dem zweiten Generalstreik eine soziale Bewegung entwickelt, die ihm ernsthaft Bauchschmerzen bereiten könnte, ist wegen der unterschiedlichen Forderungen und Motive der Demonstranten fraglich. Allerdings steigt auch im konservativen Lager die Nervosität. Expremierminister Jean-Pierre Raffarin rief die Regierung am Mittwoch auf, "auf die Beunruhigung der Bevölkerung zu reagieren".

"Der Protest ist legitim und nützlich", sagte die sozialistische Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal am Morgen dem Radiosender RTL. "Vielleicht wird die Regierung danach endlich auf die Sorgen der Menschen antworten." Expremierminister Alain Juppé aus Sarkozys konservativer Partei UMP erklärte, der Streik sei Ausdruck "einer wirklichen Angst in der Bevölkerung, die wahrgenommen und berücksichtigt werden muss".

Bleiben die Antworten aus, erwägen die Gewerkschaften, für den 1. Mai zum Start eines unbefristeten Streiks aufzurufen.

(AP)
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