Gipfel in Japan G7-Treffen im Schatten des heiligen Schreins

Ise-Shima · Beim Industriestaaten-Gipfel finden die G7-Länder in Wirtschaftsfragen nur mühsam einen Kompromiss. Über ihre Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Humanität, die sie auch gegen China und Russland hochhalten, sind sie sich einig.

Der Gouverneur der Präfektur Mie, Eikei Suzuki, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Italiens Regierungschef Matteo Renzi, Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und Japans Regierungschef Shinzo Abe bei einer Baum-Pflanzung im Garten des Ise Schreins in Ise-Shima.

Der Gouverneur der Präfektur Mie, Eikei Suzuki, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Italiens Regierungschef Matteo Renzi, Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und Japans Regierungschef Shinzo Abe bei einer Baum-Pflanzung im Garten des Ise Schreins in Ise-Shima.

Foto: afp, CK

Das selbstfahrende Auto lässt die sonst technikbegeisterte Kanzlerin an diesem Tag stehen. Sie geht den Weg vom Übernachtungs- zum Tagungshotel lieber mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande zu Fuß — Zeit zum persönlichen Austausch. Zwei Tage lang treffen sich die Staats- und Regierungschefs von Japan, USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk in der japanischen Ferienregion Ise-Shima beim G7-Gipfel.

Traditionell geht es bei diesem Gipfel um die globale Wirtschaft. Er ist mittlerweile aber auch eine Selbstvergewisserung der großen westlich geprägten Industrienationen: Dem Terror und den neuen Krisenherden, der Flüchtlingsbewegung und den Territorialansprüchen von Russland, China und anderen wollen sie mit jenen Werten von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Humanität begegnen, mit denen sie auch die Ordnung seit dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich prägten.

Man wolle "alles tun, damit Wachstum entstehen" kann

Die Kanzlerin war am frühen Donnerstagmorgen in Nagoya, 300 Kilometer südwestlich von Tokio gelandet. Danach ging es gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Chemie-Professor Joachim Sauer, per Hubschrauber weiter nach Ise-Shima. Sauer begleitet Merkel nur sehr selten bei ihren Auslandsreisen.

Nach der gemeinsamen Besichtigung des Ise-Schreins, dem wichtigsten Heiligtum der japanischen Hauptreligion Shintoismus, schloss sich Sauer mit den Gattinnen der Ministerpräsidenten von Japan, Kanada und von EU-Kommissionspräsident Donald Tusk dem Begleitprogramm auf der Insel der Perlentaucher Mikimoto an.

Merkel ging in die erste Arbeitssitzung zur Frage, wie sich die Weltwirtschaft ankurbeln lässt. Man wolle "alles tun", sagt die Kanzlerin hinterher, "damit Wachstum entstehen" kann. So sagt man das, wenn die Mehrheit der Länder, allen voran Japan und Kanada, in hoher Neuverschuldung das Patentrezept für Wachstum sehen, während Deutschland — wie auch schon in der Euro-Krise — auf Strukturreformen und Haushaltsdisziplin setzt. Einig sind sich die Staats- und Regierungschefs, dass sie die Freihandelsabkommen TTIP und Europa-Japan noch bis Ende des Jahres "ausverhandeln" wollen, wie Merkel betont.

Zwischen Elmau und Ise-Shima liegen Welten

Vor einem Jahr im bayerischen Elmau war Merkel noch die strahlende Gastgeberin — mit glänzenden Umfragewerte im eigenen Land und nach ihren geschickten Verhandlungen um einen Waffenstillstand in der Ukraine außenpolitisch hoch anerkannt. Nach Japan reist sie nun als innenpolitisch angeschlagene Regierungschefin. Zwischen Elmau und Ise-Shima liegen nicht nur zwölf Flugstunden — für die Kanzlerin sind es Welten: Die Flüchtlingskrise hat in Deutschland in der Zeit zwischen den beiden Gipfeln mit Merkels gesunkener Popularität und dem Aufstieg der AfD viele politische Gewissheiten ins Wanken gebracht.

Der Respekt vor Deutschland im Kreis der G7 hat darunter nicht gelitten. Im Gegenteil: In der Flüchtlingskrise gilt Deutschland, in dem Kreis, der sich eben auch als Werte- und Verantwortungsgemeinschaft versteht, als vorbildlich. Ein starkes Signal wie ein Flüchtlingsfonds oder Zusagen über die Aufnahme von Kontingenten, mit dem sich die G7 hinter Deutschland und Europa versammeln würde, ist aber trotz eines Appells von EU-Ratspräsident Tusk für mehr Solidarität und einer Führungsrolle der EU in der Flüchtlingskrise nicht zu erwarten. "Ich erwarte nicht ganz konkrete Ergebnisse", sagt Merkel, die bei solchen Gipfeln im Vorfeld gerne tiefstapelt, um ihre Ergebnisse hinterher umso besser aussehen zu lassen.

Schon lange nicht mehr ein Treffen der größten Industriestaaten

Sicher richtet sich das Augenmerk des Gipfels auf die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration. Dafür ist am Freitag auch der Vorsitzende der afrikanischen Union, der Präsident der Republik Tschad Idriss Déby, zum Gipfel eingeladen. Zu erwarten ist zudem noch ein finanzielles Signal für die humanitäre Offensive der UN, die mit dem Weltgipfel in Istanbul in dieser Woche gestartet wurde.

Der G7-Gipfel ist schon lange nicht mehr ein Treffen der größten Industriestaaten. Dafür müssten auch China und Indien eingeladen werden. Gedanklich sitzt China mindestens mit am Tisch, wenn es um Handel, Finanzen und die weltweite Stahlproduktion geht — also bei den Kernthemen des Gipfels. Die Chinesen wiesen die G7 prompt in die Schranken und ließen wissen, dass sich die Gipfelteilnehmer nicht in die Inselstreitigkeiten im südchinesischen Meer einmischen sollten.

Der russische Präsident Putin, der nach der Annexion der Krim aus dem Kreis der G8 ausgeschlossen worden war, hatte auch schon sein Desinteresse an einer Rückkehr bekundet, mit dem Hinweis, dass die jährlichen G20-Treffen mehr Bedeutung hätten.

(qua)
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