Egypt-Air-Flug MS804 Die Anschlagsangst kehrt zurück

Paris · Nach dem Absturz der Egypt-Air-Maschine auf dem Weg von Paris nach Kairo schließt die französische Regierung einen Terrorakt nicht aus. Das Unglück zeigt erneut die Verwundbarkeit eines Landes.

Flugzeugabsturz MS804 der Egypt Air über dem Mittelmeer
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Flugzeug über dem Mittelmeer abgestürzt

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Foto: dpa, tmk

Noch bevor am Donnerstag der Krisenstab im Elysée-Palast zusammenkam, hatte der frühere Leiter der Flugsicherheitsbehörde laut ausgesprochen, was jeder dachte: "Es könnte sich um einen Anschlag handeln", sagte Jean-Paul Troadec. Der Luftfahrtexperte hatte nach dem Verschwinden der Maschine der Egypt Air mit 66 Menschen an Bord auf dem Weg von Paris nach Kairo schnell seine Schlüsse gezogen.

Ob er damit richtig liegt, werden die Untersuchungen zeigen. Noch wurden keine Wrackteile gefunden. Ein ägyptisches Suchflugzeug sichtete zwar am Donnerstagnachmittag zwei orange Objekte, die 370 Kilometer südöstlich der Insel Kreta im Meer trieben. Später hieß es allerdings, dass diese Teile nicht zum vermissten Egypt-Air-Flugzeug gehören. Eines ist indes sicher: Das Unglück zeigt die Verwundbarkeit Frankreichs drei Wochen vor der Fußball-Europameisterschaft.

Von einem Unfall oder einer "anderen Hypothese" sprach Präsident François Hollande, bevor er dann ergänzte: "einer terroristischen Hypothese". Die machte schnell die Runde, nachdem mehrere Augenzeugen kurz vor dem Absturz in der Nähe der griechischen Insel Karpathos von einem Feuerball am Himmel berichteten. Außerdem setzte der mit 6000 Flugstunden erfahrene Pilot keinen Notruf ab, was Experten zufolge einen technischen Defekt praktisch ausschließt. Die Maschine des Flugs MS804 vollzog dem griechischen Verteidigungsminister Panos Kammenos zufolge zwei heftige Kehrtwenden, bevor sie um 7000 Meter absackte und schließlich vom Radar verschwand.

Chronologie: Unglücke und Anschläge in Ägyptens Flugverkehr
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Unglücke und Anschläge in Ägyptens Flugverkehr

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Foto: ap, AN

Gebetsteppiche und salafistische Schriften

"Die Möglichkeit eines Terroranschlags ist größer als die eines technischen Problems", räumte auch der ägyptische Verkehrsminister Cherif Fathy ein. Erst im Oktober waren beim Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat auf eine russische Chartermaschine auf der Sinai-Halbinsel 224 Menschen ums Leben gekommen.

Der nun abgestürzte Airbus A320 von Egypt Air war am Mittwoch in Eritrea und Tunesien gewesen, bevor er über Kairo auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle landete. Dort hielt sich die Maschine eine Stunde lang auf; um 23.21 Uhr hob sie mit 56 Passagieren an Bord, darunter 15 Franzosen, wieder ab. Der Flug erfolgte bei gutem Wetter.

Schwere Flugzeugunglücke seit 2001
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Flugzeugunglücke seit 2001

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In Frankreich konzentrieren sich die Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft aufgenommen hat, nun auf den Flughafen — den zweitgrößten Europas nach London-Heathrow. Dort sollen vor allem Videoaufnahmen ausgewertet und die Leute überprüft werden, die mit dem Flugzeug in Kontakt kamen.

Charles de Gaulle war ebenso wie der zweite Pariser Flughafen Orly vor einigen Monaten in die Schlagzeilen geraten, weil dort Islamisten beschäftigt gewesen sein sollen. 70 der 85.000 Angestellten, die im Sicherheitsbereich arbeiteten, wurde wegen "Radikalisierung" deshalb im Dezember die Zugangsberechtigung entzogen. Bei der Durchsuchung von rund 4000 Schließfächern fand die Polizei Gebetsteppiche und salafistische Schriften.

Sorge vor der Fußball-EM

Seit den Anschlägen im vergangenen Jahr ist klar, dass Frankreich das Ziel Nummer eins der Islamisten ist. Im November hatten mehrere Terrorkommandos in Paris insgesamt 130 Menschen bei Anschlägen auf das Stade de France, den Konzertsaal Bataclan und mehrere Kneipen getötet. Hinter den Attentaten stand eine belgisch-französische Terrorzelle des Islamischen Staats. Nach den Anschlägen von Brüssel im März gestand einer der Angreifer laut Medienberichten, dass die Terroristen auch die Fußball-EM im Visier hatten. Das Bundeskriminalamt warnte der "Bild"-Zeitung zufolge vor Anschlägen während des Turniers. Ziele könnten nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Teams sein. "Ein erfolgreicher Anschlag auf Mannschaften von 'Kreuzfahrernationen', zu denen Deutschland ebenfalls gezählt wird, hätte dabei besondere Symbolwirkung", hießt es in einem BKA-Bericht, aus dem die "Bild" zitierte.

Für die französischen Behörden enthüllt das BKA nichts Neues. Innenminister Bernard Cazeneuve hatte bereits unumwunden eingeräumt: "Dieses Großereignis bedeutet ein Risiko." Auch deshalb hat die Nationalversammlung am Donnerstag den seit November geltenden Ausnahmezustand zum dritten Mal verlängert — diesmal bis Ende Juli. Er erlaubt Hausdurchsuchungen auch in der Nacht und Hausarrest für Verdächtige.

Absagen will die Regierung die Europameisterschaft allerdings nicht, wie Regierungschef Manuel Valls versicherte. Er hat dabei die Unterstützung der Bevölkerung: 79 Prozent befürworten laut einer Umfrage im April, dass das Turnier stattfindet.

(RP)
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