Anstehende "Dschungel"-Räumung Flüchtlinge von Calais in Angst

Calais · Das als "Dschungel" bekannt gewordene Flüchtlingslager soll am Montag vollständig geräumt werden. Hilfsorganisationen kritisieren die Aktion scharf. Sie befürchten, dass "die Auflösung des Lagers zu einer Menschenjagd wird".

 "Dschungel" von Calais: Lager soll am Montag geräumt werden

"Dschungel" von Calais: Lager soll am Montag geräumt werden

Foto: afp, PH

Von der Autobahn aus sind hinter den Metallzäunen Hunderte blaue Zelte, Planen und Bretterbuden zu sehen. Im Herbst weht ein scharfer Wind zwischen den Elendsbehausungen in Calais, die bald verschwinden sollen. Denn die rund 6500 Insassen sollen auf Aufnahmezentren in ganz Frankreich verteilt werden. "Wenn die Bedingungen gegeben sind, besteht kein Grund mehr, sie in der Kälte und im Schlamm zu lassen", sagt Innenminister Bernard Cazeneuve.

Dass die Zerschlagung des als "Dschungel" bekannten Flüchtlingslagers ausgerechnet jetzt passiert, hat nach Ansicht der Hilfsorganisationen weniger mit dem Wetter als mit der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr zu tun. "Das ist politisch motiviert", sagt Amin Trouvé Baghdouche, der für "Médecins du Monde" die Arbeit in Calais koordiniert, im Gespräch mit unserer Redaktion. Ende September hatte Präsident François Hollande die "endgültige und vollständige Auflösung" des Lagers angekündigt - am Montag wird es so weit sein.

Der Europarat bemängelt, dass die Räumung des Lagers nicht ausreichend vorbereitet wurde. "Die Behörden haben nicht genau erklärt, was geplant ist und wie das Camp aufgelöst werden soll", kritisiert der Migrationsbeauftragte Tomas Bocek. Einige Kommunen wehren sich gegen die Aufnahme- und Orientierungszentren, auf die die Flüchtlinge im ganzen Land verteilt werden sollen. Unklar ist deshalb, wie viele Flüchtlinge überhaupt anderswo untergebracht werden können. Zudem wollen viele der Schutzsuchenden bleiben, ihr Ziel ist in den meisten Fällen Großbritannien, das von Calais aus durch den Eurotunnel erreichbar ist.

Von Dutzenden Bussen und mehr als 1000 Polizisten, die zum Einsatz kommen sollen, haben die Helfer vor Ort gehört. Sie wollen aufpassen, dass die Flüchtlinge gut behandelt werden, denn Polizeigewalt ist keine Seltenheit im "Dschungel". Erst im vergangenen Jahr tauchten geheim gefilmte Videos von Misshandlungen auf. "Ich fürchte, dass die Auflösung des Lagers zu einer Menschenjagd wird", sagt Baghdouche düster.

(RP)
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