Schuldenkrise Euro entzweit Berlin und Paris

(RP). Deutschland will die EU-Verträge so ändern, dass künftig Schuldensünder notfalls aus der Währungsunion ausgeschlossen werden können. Frankreich ist strikt dagegen. Heftiger Streit scheint damit programmiert.

 Wolfgang Schäuble und Christine Lagarde beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel.

Wolfgang Schäuble und Christine Lagarde beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel.

Foto: AP, AP

Im deutsch-französischen Verhältnis gilt die Regel: Je überschwänglicher die Politiker öffentlich den Zustand der Beziehungen loben, desto mehr kriselt es hinter den Kulissen. Gestern in Brüssel war so ein Moment. Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde schwärmte vom "sehr guten" Einverständnis mit Berlin — trotz ihrer jüngsten Frontal-Attacke auf die deutsche Exportstärke. Alles in bester Ordnung also? Mitnichten.

Denn trotz aller Freundlichkeit erteilte die Ministerin aus Paris der Bundeskanzlerin eine Abfuhr. Während Angela Merkel als Konsequenz aus der Griechenland-Krise die EU-Verträge ändern will, lehnt Frankreich dies ab. "Es scheint mir nicht wünschenswert, den Vertrag von Lissabon tiefgreifend zu reformieren", sagte Lagarde gestern. Eine Neuausrichtung der Währungsunion gilt in Berlin aber als nötig, weil die griechische Schuldenkrise einen Mangel an politischer Führung in der Euro-Zone offengelegt hat.

Angela Merkel hatte im Bundestag gefordert, dass die europäischen Spielregeln so überholt werden müssten, dass als letztes Mittel auch der Ausschluss eines Landes aus der Währungsunion möglich ist. Berlin will zudem die Sanktionen für Defizitsünder verschärfen und einen Europäischen Währungsfonds einrichten, der Mitgliedsländern Notkredite gewähren, aber auch eine Plan-Insolvenz abwickeln könnte.

All dies, da sind sich Experten einig, dürfte ohne Vertragsänderung kaum zu machen sein. Auch Frankreich wolle die Funktionsmechanismen zwischen den Mitgliedsstaaten verbessern, betonte Lagarde gestern — aber bitteschön nur im Rahmen des Vertrages von Lissabon. Doch nicht nur deshalb dürfte der EU-Gipfel kommende Woche kein Kuschel-Treffen werden. Auch beim Hilfspaket für Griechenland liegen die Partner über Kreuz: Paris pocht auf schnelle Beschlüsse. Auch Athen macht Druck. Nur mit einer klaren Hilfszusage der EU könne sein Land zu vernünftigen Konditionen am Finanzmarkt Geld leihen, um die Rekordschulden von mehr als 300 Milliarden Euro gegenzufinanzieren, sagte Regierungschef Giorgos Papandreou gestern in Brüssel. "Es ist wichtig, beim Gipfel eine Entscheidung zu treffen." Die EU hat Griechenland grundsätzlich Hilfe zugesagt, um im Notfall die Stabilität des Euro zu sichern. Die technischen Details hatten die Finanzminister der Euro-Länder am Montag geklärt. Doch steht eine politische Entscheidung der Staats- und Regierungschefs noch aus.

Die Bundeskanzlerin will konkrete finanzielle Zusagen jedoch so lange wie möglich hinauszögern. Sie hofft, dass sich die Lage am Kapitalmarkt für Griechenland bald entspannt. Deutschland hätte auch nichts dagegen, wenn Athen den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bittet. Für Paris ist das aber tabu. Das Einschreiten des von den USA dominierten IWF wäre aus Sicht des Elysée eine politische Blamage für Europa — für Beobachter ein Indiz, dass sich hinter dem Schuldenpoker um Griechenland ein Machtkampf um die Führung in der Euro-Zone verbirgt.

Es prallen zwei Konzepte aufeinander: Berlin pocht traditionell weit mehr auf Haushaltsdisziplin und Stabilität als Paris, das am liebsten die bestehenden stumpfen Defizit-Regeln noch aufweichen würde. Kein Wunder. Das französische Defizit wird dieses Jahr auf 8,2 Prozent steigen. Dass es wie versprochen bis 2013 wieder unter die von der EU erlaubten drei Prozent sinkt, scheint mehr als fraglich.

Sarkozy schweben daher andere Reform-Akzente vor. Er will eine straffere Wirtschaftsführung in Europa — in der Tradition des französischen Staatsdirigismus. "Es kann nicht immer nur darum gehen, die Defizitkriterien durchzusetzen", ließ er seine Finanzministerin verbreiten. Deutschland sei auf Kosten der Partner gewachsen, also müsse Berlin nun die Binnennachfrage durch Steuersenkungen stärken, um die Marktchancen von Paris, Athen und Co. zu verbessern.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort