Ermordung John F. Kennedys Die Mutter aller amerikanischen Verschwörungstheorien

Dallas · John F. Kennedy fasziniert noch heute. Nach nicht mal drei Jahren Amtszeit ermordete ihn ein Attentäter – die Verschwörungstheorien reißen bis heute nicht ab.

 Lee Harvey Oswald, der mutmaßliche Mörder von John F. Kennedy.

Lee Harvey Oswald, der mutmaßliche Mörder von John F. Kennedy.

Foto: afp

John F. Kennedy fasziniert noch heute. Nach nicht mal drei Jahren Amtszeit ermordete ihn ein Attentäter — die Verschwörungstheorien reißen bis heute nicht ab.

Das blutige Ende des Präsidenten ist festgehalten auf den grobkörnigen Super-8-Aufnahmen des Amateurfilmers Abraham Zapruder, der am 22. November 1963 gegen 12.30 Uhr Ortszeit seine Kamera auf die offene Limousine gerichtet hatte, in deren Fond John F. Kennedy und seine Frau Jacqueline saßen. Man sieht, wie eine erste Kugel Kennedy trifft.

Die Wucht des Projektils, so rekonstruierten es Ballistik-Experten später, hätte seinen Oberkörper normalerweise nach vorne und damit aus dem Schussfeld gerissen. Doch das Korsett, dass der an einer schmerzhaften Rückenerkrankung leidende Präsident bei offiziellen Anlässen stets umgeschnallt hatte, hält den Schwerverletzten aufrecht im Sitz. Der dritte Schuss trifft ihn schließlich in den Hinterkopf. Selbst auf den verwackelten Bildern kann man erkennen, wie das Blut spritzt.

Die nur wenige Sekunden dauernde Film-Sequenz vom Mord in Dallas ist längst zum Bestandteil der amerikanischen Ikonographie geworden, ähnlich wie die beiden Passagierjets, die sich am 11. September 2001 in die New Yorker Twin Towers bohrten. Der Mord an Kennedy war ein Schock, wie ihn die Nation zuvor nur am 7. Dezember 1941 beim japanischen Überraschungsangriff auf Pearl Harbor zu verkraften hatte. Kennedys Tod hat Amerika zutiefst traumatisiert, und die Folgen sind bis heute zu spüren.

Kennedys war als Wahlkämpfer nach Dallas gekommen. Drei Jahre zuvor war er mit 43 Jahren Präsident geworden, jetzt kämpfte er auch im erzkonservativen Texas um seine Wiederwahl — 1960 war Kennedys knapper Sieg in dem Flächenstaat enorm wichtig gewesen, um das Weiße Haus zu erobern. In Dallas wurde John F. Kennedy allerdings längst nicht so stürmisch umjubelt wie etwa fünf Monate zuvor bei seinem Auftritt vor dem Rathaus Schöneberg im geteilten Berlin.

In seiner Heimat galt der jugendlich-optimistisch wirkende Präsident längst nicht allen Menschen als der strahlende Hoffnungsträger, als der er im Ausland gefeiert wurde. Es gab Amerikaner, die hielten den Mann im Weißen Haus für einen Schwächling, einen Versager, ja einen Verräter. Kennedy hatte Todfeinde, das wusste man schon damals.

Wohl auch deswegen schossen rund um den Mord von Dallas schon sehr bald die Verschwörungstheorien ins Kraut. Für viele Amerikaner klang die offizielle Version, wonach die verkrachte Existenz Lee Harvey Oswald, ein ehemaliger Marine-Infanterist und bekennender Kommunist, alleine den mächtigen Führer der westlichen Welt umgebracht haben sollte, völlig unglaubwürdig — zumal Oswald keine zwei Tage nach dem Mord im Keller des Polizeipräsidiums von Dallas seinerseits vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde.

Misstrauen gegenüber dem Machtapparat

Wahlweise wurden die CIA, der KGB, Fidel Castro, eine Gruppe von Exilkubanern oder die Mafia für den Mord verantwortlich gemacht. Zahllose Bestseller-Autoren und Hollywood-Regisseure, unter anderem 1991 Oliver Stone, arbeiteten sich an dem Mord von Dallas und seinen zahlreichen Ungereimtheiten ab. Am Ende wucherten die Komplotttheorien das eigentliche Ereignis fast vollständig zu.

Das Weiße Haus in Washington von innen - Rundgang durch die Schaltzentrale der Macht
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Hier wohnt der US-Präsident - Rundgang durchs Weiße Haus

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Foto: ap, SAW

Hängen blieb im kollektiven Unterbewusstsein ein tiefes Misstrauen gegenüber dem politischen Machtapparat. Die Gewalt der 60er und frühen 70er Jahre — der eskalierende Vietnam-Krieg, die Morde an Malcolm X, Martin Luther King und Robert Kennedy — wirkte auf viele Amerikaner wie eine logische Konsequenz aus dem Tod des strahlenden Helden Kennedy und wie eine Bestätigung dafür, dass da ein aggressiver Staat im Staate sein Unwesen treibe.

Als 1973 die Watergate-Bombe platzte und Präsident Richard Nixon zurücktreten musste, war das Bild des verderbten Amerika perfekt. War John F. Kennedy weltweit zum Sinnbild des guten Amerika verklärt worden, so dominierte von nun an die Wahrnehmung einer von dunklen Mächten korrumpierten Demokratie. Und auch viele Amerikaner, unabhängig von ihren politischen Überzeugungen, halten ihre Politiker seither für zu allem fähig.

(bee)
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