Siedlungsbau in Jerusalem Eiszeit zwischen Israel und USA

Washington (RP). Das traditionell enge Bündnis zwischen Amerika und dem jüdischen Staat ist wegen des israelischen Siedlungsbaus in eine Krise geraten. US-Präsident Barack Obama will jetzt mehr Druck auf Israel machen. Die Frage ist nur, wieviel.

Es könnte steifer zugehen als sonst, vielleicht aber auch übertrieben herzlich, um den Riss zu überspielen. Nächste Woche treffen sich US-Außenministerin Hillary Clinton und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Washington zu einer Serie von Gesprächen. Das American Israel Public Affairs Committee, die einflussreichste pro-israelische Lobbygruppe, hat die größte Kongresshalle der Stadt gemietet.

Am Potomac gehört es zum guten Ton, in schöner Regelmäßigkeit das unverbrüchliche Band mit Israel zu betonen, einem Verbündeten, den nicht nur Regierungsbeamte, sondern auch Normalbürger unter die Top Ten der weltweit wichtigsten Partner Amerikas einsortieren. Diesmal dient die Harmonieübung dazu, Wogen zu glätten. Dass Israel den Bau von 1600 Wohnungen im arabischen Ostteil Jerusalems just in dem Moment ankündigte, als US-Vizepräsident Joe Biden vor Ort neue Friedensgespräche einfädeln wollte, soll im Weißen Haus wahre Wutausbrüche ausgelöst haben.

Tobender US-Präsident

Auch Barack Obama soll, ganz gegen sein Naturell, getobt haben, auch, als sich Netanjahu entschuldigte, ohne aber in der Substanz einzulenken. Der israelische Botschafter Michael Oren sprach von einem historischen Tief, nie erlebt in 35 Jahren. Was echte Beziehungskrise ist und was Theaterdonner, wissen nur die Beteiligten selbst. Jedenfalls kommt es Obama nicht ungelegen, wenn er, wie sein Stabschef Rahm Emanuel es formuliert, die Chance einer Krise beim Schopf packen kann, statt sie ungenutzt verstreichen zu lassen.

David Petraeus, beim US-Militär zuständig für den Krisenbogen vom Mittelmeer bis nach Pakistan, nennt die festgefahrenen Fronten des israelisch-palästinensischen Konflikts eine Gefahr für amerikanische Interessen in Irak und Afghanistan, wo zehntausende GIs stationiert sind. Der Stillstand schüre antiamerikanische Emotionen, "wegen des Eindrucks, dass wir Israel favorisieren", sagte der Vier-Sterne-General vor dem Kongress. Es ist ein Eindruck, den Obama entkräften will, indem er Netanjahu so etwas wie ein Stoppzeichen in den Weg stellt.

Obama will nicht von Krise sprechen

Von einer Krise will Obama nicht sprechen, sondern lobt das besondere Verhältnis zueinande. "Uns verbindet mit dem israelischen Volk ein besonderes Band, das nicht verschwinden wird", sagte der US-Präsident am Mittwoch (Ortszeit) im US-Sender Fox News. Israel sei einer der "engsten Verbündeten" Washingtons. Jedoch hätten Freunde auch manchmal "unterschiedliche Ansichten". In diesem Fall seien sich beide Staaten uneinig darüber, wie der Nahost-Friedensprozess vorangebracht werden könne.

Obama sagte, die Ankündigung des Wohnungsbaus sei das Werk des israelischen Innenministeriums gewesen, und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe sich dafür entschuldigt. Der US-Präsident rief zudem Israelis und Palästinenser auf, Anstrengungen zu unternehmen, um das "Vertrauen auf beiden Seiten wieder herzustellen".

Amerika versteht sich als Garant israelischer Sicherheit, aber Phasen erhöhten Drucks hat es immer wieder gegeben. Mitte der 70er war es Henry Kissinger, der verbale Breitseiten in Richtung Jerusalem abfeuerte. In der Rolle des Pendeldiplomaten verhandelte der Außenminister über den Abzug Israels vom eroberten ägyptischen Sinai — und nahm kein Blatt vor Mund.

1991 redete dann James Baker Tacheles. Im Auftrag George Bushs des Älteren sollte der Chefdiplomat nach dem Golfkrieg eine Nahostkonferenz zimmern. Bush machte Nägel mit Köpfen. Um einen Baustopp für jüdische Siedlungen auf besetztem Land zu erzwingen, hielten die USA eine Kreditgarantie von zehn Milliarden Dollar zurück. Schon zuvor hatte es Baker im Dialog mit dem sperrigen Premier Yitzhak Schamir an klaren Worten nicht fehlen lassen. "Da haben Sie eine Telefonnummer. Wenn Sie Frieden wollen, rufen Sie an." Es war die Nummer des Weißen Hauses.

Eigene Nahost-Strategie erwägt

Derweil berichtet die "New York Times", das Weiße Haus erwäge offenbar eine eigene Strategie, um eine Basis für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern zu schaffen. Dem Bericht zufolge sind US-Regierungsvertreter nach der Ankündigung der Baupläne durch Israel skeptisch, ob die israelische Regierung den Friedensprozess nach wie vor unterstützt. Der derzeitige Ansatz "funktioniert nicht und führt uns nirgendwohin", zitierte die Zeitung einen Regierungsvertreter.

Das US-Außenministerium erklärte indes, Washington warte noch immer auf eine Reaktion Israels auf die Kritik am Siedlungsbau. Noch habe es kein Gespräch zwischen US-Außenministerium Hillary Clinton und Netanjahu gegeben, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Washington.

(RP/AFP/das)
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