Ratspräsident der EU Tusk knüpft Türkei-Abkommen an rückläufige Flüchtlingszahlen

Brüssel · EU-Ratspräsident Donald Tusk hat ein Abkommen mit der Türkei an wirklich rückläufige Flüchtlingszahlen geknüpft. In einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Einladungsschreiben an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union schreibt der polnische Politiker: "Zugeständnisse werden nur gerechtfertigt sein, wenn dieses Ziel erreicht ist."

 Donald Tusk, Ratspräsident der Europäischen Union.

Donald Tusk, Ratspräsident der Europäischen Union.

Foto: afp, ff/vel

Ziel seiner Gespräche in Ankara sei es gewesen, den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen, erklärte Tusk. Er schlage vor, die gemeinsame Vorgehensweise zu den Themen Türkei und Syrien beim Abendessen zu erörtern. Die Türkei ist das größte Transitland für Flüchtlinge.

Selbst wenn der Andrang von Flüchtlingen im Winter nachlasse, müsse die EU auf den Frühling und damit auf "größere Wellen" vorbereitet sein. Alle politischen Führer, mit denen er in der Region gesprochen habe, hätten vor Millionen möglicher neuer Flüchtlinge gewarnt. "Der außergewöhnlich leichte Zugang nach Europa ist einer der Hauptanziehungsfaktoren", argumentierte Tusk. Der Herbst-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ist für diesen Donnerstag geplant.

Eine Lösung der Flüchtlingskrise lässt sich aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nur in Deutschland und Europa erreichen. Für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen sei Handeln außerhalb der Grenzen der Europäischen Union entscheidend, machte Merkel nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag in Berlin deutlich. Viele der Flüchtlinge kämen aus der Türkei. Merkel will an diesem Sonntag zu Gesprächen nach Istanbul reisen. Der Bundestag beschäftigt sich am Mittwoch erneut mit der Flüchtlingskrise.

In Deutschland müsse alles daran gesetzt werden, Abschiebungen besser durchzusetzen. Merkel warnte laut Teilnehmern davor, dass ein Signal, die Belastungsgrenze sei erreicht, dazu führen könne, dass sich noch viele vor dem Winter auf den Weg machten. In der Diskussion forderten mehrere Abgeordnete von CDU und CSU wirkungsvolle Grenzkontrollen, bei denen Flüchtlinge auch zurückzuweisen seien. Es dürfe nicht die weiße Fahne gehisst werden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) machte laut Teilnehmerangaben deutlich, wenn man ein Stoppsignal gäbe, müsste dies auch sitzen und Taten müssten folgen.

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel verschärft unterdessen im Streit der großen Koalition über Transitzonen für Flüchtlinge den Ton. Die Union wolle mit ihrem Ruf nach solchen Zonen nur internen Streit übertünchen, sagte Gabriel nach Teilnehmerangaben am Dienstag in einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Er habe Merkel gesagt, sinnvolle Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik mittragen zu wollen - "aber nicht solche, die nur dafür da sind, dass (CSU-Chef Horst) Seehofer wieder lieb ist".

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Transitzonen seien nichts anderes als "Haftzonen", meinte Gabriel. Er habe sich nicht vorstellen können, dass "ein deutsches Verfassungsressort" einen solchen Entwurf erarbeiten könne, kritisierte er mit Blick auf das Haus von Innenminister de Maizière. Eine Änderung des Grundrechts auf Asyl werde es mit der SPD nicht geben, unterstrich Gabriel.

Die von der Union geforderten Transitzonen für Flüchtlinge können nur befristet eingerichtet werden und hätten voraussichtlich auch nur sehr begrenzte Auswirkungen. Aus diesen Zonen heraus könnten Asylbewerber ohne Erfolgsaussichten oder ohne Papiere noch vor der Einreise innerhalb kurzer Zeit zurückgeschickt werden.

Auch Merkel räumt ein, das Verfahren werde "nicht für Tausende und Abertausende von Flüchtlingen möglich sein". Innenpolitiker der Unionsfraktion sagten am Dienstag ebenfalls, Transitzonen an den deutschen Außengrenzen seien "kein Allheilmittel".

Transitzonen sind nach Auskunft der EU-Kommission rechtens, müssen aber bestimmte Regeln einhalten. Weil dafür Grenzkontrollen nötig seien, müssten diese nach den Schengen-Regeln zeitlich befristet und verhältnismäßig sein, sagte ein Kommissionssprecher. Angesichts des weiterhin großen Andrangs von Flüchtlingen setzt Deutschland die Kontrollen seiner Außengrenzen zunächst bis Ende des Monats fort.

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(dpa)
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